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Kultur: Mensch und Panther allein in der Wüste - der Beginn einer Liebe

Vielleicht ist es fairer, gleich zu sagen, dass alle den Film gut finden. Und auch die Kritikerin gibt bereitwillig zu, dass "Eine Leidenschaft in der Wüste" tatsächlich eine gelungene Szene besitzt.

Vielleicht ist es fairer, gleich zu sagen, dass alle den Film gut finden. Und auch die Kritikerin gibt bereitwillig zu, dass "Eine Leidenschaft in der Wüste" tatsächlich eine gelungene Szene besitzt. Während Napoleons Feldzug verirren sich ein Soldat und ein Schlachtenmaler in der Sahara. Descartes empfahl, in solchen Fällen immer geradeaus zu laufen. Er hatte dabei allerdings eher den französischen Wald vor Augen sowie die philosophische Überzeugung von der Endlichkeit der ausgedehnten Substanz. Der Schlachtenmaler erkennt jetzt entmutigend viel ausgedehnte Substanz, ja sie scheint überhaupt nur dieses eine Attribut zu besitzen. Eine glutheiße Abstraktion. Und der Schlachtenmaler setzt sich mitten in die Wüste, um sich hemmungslos zu betrinken. Jawohl, Farben sind flüssig! Der Maler betrinkt sich in Ocker, Dunkelgrün und Marineblau. Ein herausragendes filmisches, unbedingt tödliches Besäufnis. Michel Piccoli ist der Schlachtenmaler.

An dieser Stelle hätte "Eine Leidenschaft in der Wüste" aufhören können. Aber der cartesianische Soldat muss weiter. Immer geradeaus, durch die Sahara. Da trifft er den Panther. Nein, eine Pantherin. Honore de Balzac war das wichtig. Man sieht ihn noch heute die zehnte oder zwanzigste Tasse Kaffee trinken voller Entzücken an der zu erwartenden moralischen Entrüstung der Zeitgenossen. Da sieht einer einen Panther als Frau! Balzac begründete das sogar: "Und schließlich ergriff ihn eine wahre Leidenschaft zu seinem Pantherweibchen, denn er brauchte etwas, was er lieben konnte."

Balzac besaß den Takt der Taktlosigkeit. Er ließ die Geschichte bald aufhören. Bei der französischen Filmemacherin und Buddhistin Lavinia Currier dagegen fängt sie erst an. Die Regisseurin musste sehr viel hinzuerfinden. Ihre "Leidenschaft in der Wüste" sei zweierlei: Liebesgeschichte und Umweltparabel. Ja, geht denn das? Müssen wir uns nicht um der Liebe wie der Umwelt willen für eins entscheiden? Dabei ist die Indizienlage durchaus unentschieden. Erstens. Mensch und Tier finden zu einer bestechend logischen Arbeitsteilung. Die Pantherin fängt das Fleisch und der Soldat macht was draus. Symbiotische Lebensgemeinschaft, ökologisch wertvoll. Man kennt das in niederer Form auch von Bäumen und Pilzen. Es handelt sich demnach, ökologisch betrachtet, um eine anfängliche Form der Liebe. Irgendwann beginnt der Soldat auch, sich zu bemalen wie seine Gefährtin, ja, ihre Bewegungen werden die seinen. Umweltparabelhaft interpretiert, heißt das: Der Soldat kehrt in löblicher Weise zurück zu seinen vergessenen natürlichen Ursprüngen. Liebesgeschichtlich gesehen: Tragödie einer Leidenschaft. Dramatischer Selbstverlust des Liebenden. Das allgemeine Element dabei - Nähe jeder Leidenschaft zur Groteske. Man brauchte das jetzt bloß noch zu spielen.

Ben Daniels ist Soldat Augustin Robert. Ben Daniels ist ein sehr gutaussehender Mann. Es handelt sich demnach nicht eigentlich um Schuld. "Eine Leidenschaft. . ." ist etwas Mittleres zwischen Arno Breker in der Wüste und ökologischer Gillette-Werbung. Man denkt, durch den Fortgang der Handlung weitgehend ungestört, darüber nach, warum es eigentlich "Das Beeeste im Mann" heißt - was haben Rasierklingen im Mann zu tun? -, da zerpflückt der Soldat eine Blume. Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht. Eine ökologisch nicht unbedenkliche Handlungsweise, aber dennoch unentbehrlich zur Charakterisierung des geistigen Impulses dieses Films. Denn das eigentliche Skandalon entgeht ihm. Kann man Tiere lieben? Und wenn ja, auch Wellensittiche und weiße Mäuse? Oder doch nur ungefähr gleichgroße, gerade so gefährlich-raubtierhaft wie man selbst. Es ist wohl doch das Wesensähnliche, was man begehrt.

Und der Schluss! Wenn der Gillette-Soldat am Ende das geliebte Pantherweibchen anbindet, damit es noch da ist, wenn er zurückkehrt von den Menschen, sieht man im Geiste den erhobenen Zeigefinger: Schlage nie die Natur in Fesseln! Die Rache wird furchtbar sein. Ist sie auch. Aber Besitzwille aus Eigennutz und Besitzwille aus dem uneigennützigsten Zustand überhaupt, aus einer Passion heraus, sind grundverschiedene Dinge. - Ist dies jetzt eine umweltfeindliche Filmkritik? Vielleicht liegt alles auch nur an jener Kritikerin mit Nagelfeile zwei Plätze weiter. Dieses nie endende Raspeln! Es gibt keine Leidenschaft mit Nagelfeile.Broadway, Filmtheater am Friedrichshain, Passage

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