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Kämpfernatur. Die Anwältin Nasrin Sotoudeh in Jafar Panahis Film "Taxi Teheran".

© Weltkino Filmverleih

Menschenrechte im Iran: „Taxi Teheran“-Star Nasrin Sotoudeh im Hungerstreik

Im Bären-Gewinnerfilm hatte Nasrin Sotoudeh einen großartigen Auftritt. Jetzt ist die inhaftierte Frauenrechtlerin im Hungerstreik, ihr Zustand verschlechtert sich dramatisch.

Sie steigt als letzte ins Taxi von Jafar Panahi, in „Taxi Teheran“, dem mit dem Goldenen Bären ausgezeichneten Film des iranischen Regisseurs von 2015. Eine Kampf- und Leidensgefährtin, beide erhielten gemeinsam den Sacharow-Preis: Wie der Filmemacher war auch die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh 2010 verurteilt worden. Auch sie hatte im berühmt-berüchtigten Evin-Gefängnis gesessen, sogar bis 2013, auch sie wurde mit Berufsverbot belegt.

Am 13. Juni 2018 ist Nasrin Sotoudeh erneut verhaftet worden, seit über zwei Jahren sitzt sie wieder im Evin-Gefängnis. Im März 2019 wurde sie zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt, wegen angeblicher „Störung der öffentlichen Ordnung“. Am 11. August ist die Anwältin nun in Hungerstreik getreten, aus Protest dagegen, dass zwar zehntausenden inhaftierten Kriminellen wegen der Pandemiegefahr Hafturlaub gewährt wurde, nicht aber den Bürgerrechtlern.

Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte setzt das Regime sie damit „bewusst dem Risiko aus, sich in überfüllten Gefängnissen unter schlechten hygienischen Bedingungen zu infizieren“. Auch Amnesty International berichtet von einer erneuten dramatischen Ausbreitung des Virus in den Haftanstalten des Landes.

Martin Lessenthin, der Sprecher der Gesellschaft, sieht in Sotoudehs Hungerstreik einen „dramatischen Appell“. Ein Rechtsstaat existiere praktisch nicht im Iran, das Justizsystem sei eine Farce, sagte er der Nachrichtenagentur KNA.

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Nach Auskunft ihres Mannes, des Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Rheza Khandan, hat sich der Gesundheitszustand der 57-Jährigen inzwischen dramatisch verschlechtert. Blutdruck und Blutzuckerspiegel schwanken stark, wegen ständiger Übelkeit kann sie nicht genug Wasser und Zucker zu sich nehmen. Am 17. August wurde auch Sotoudehs 21-jährige Tochter Mehraveh Khandan über mehrere Stunden festgesetzt, um die Mutter zusätzlich einzuschüchtern und von ihrem Hungerstreik abzubringen.

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In Panahis Film „Taxi Teheran“ erlebt man sie als umwerfende Frau, die freimütig erzählt, sie sei auf dem Weg zu Ghoncheh Ghavami, einer jungen Frau, die wegen des Besuchs eines Volleyballspiels ins Gefängnis kam.

Auch so ein Fall, der kurz für internationale Empörung gesorgt hatte und schnell wieder vergessen wurde. Mit einem Rosenstrauß in der Hand und voller Lebensfreude berichtet Sotoudeh auf der Taxifahrt von ihrer Arbeit für politische Gefangene und deren Angehörige. Selbst der tapfere, unerschrockene Panahi wirkt beinahe müde neben diesem Energiebündel.

Umso erschreckender, von ihrer jetzigen Lage zu hören. Sotoudeh braucht die internationale Aufmerksamkeit und den internationalen Druck auf das Regime so dringend, wie der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in diesen Tagen Unterstützung und ärztliche Hilfe benötigt.

Öffentlicher Druck wie bei Oleg Senzow in Russland wäre nötig

Dass öffentlicher Druck helfen kann, zeigt etwa der Fall des ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow, der ebenfalls mit fadenscheinigen Begründungen in Moskau verurteilt worden war, ab 2015 in einem sibirischen Straflager saß und im Sommer 2018 in einen mehrmonatigen Hungerstreik trat. Nach zahlreichen internationalen Protesten und Gnadengesuchen, unter anderem von Emmanuel Macron, kam er 2019 frei. Warum machen sich Politiker und Kulturschaffende nicht ähnlich für Sotoudeh stark?

Nasrin Sotoudeh (2. v.r.) mit ihrer Familie, nach fer Entlassung aus ihrer ersten Haft 2013. Ihre Tochter Mehraveh Khandar (r.) wurde am 17. August ebenfalls für einen Tag festgesetzt.
Nasrin Sotoudeh (2. v.r.) mit ihrer Familie, nach fer Entlassung aus ihrer ersten Haft 2013. Ihre Tochter Mehraveh Khandar (r.) wurde am 17. August ebenfalls für einen Tag festgesetzt.

© dpa/Abedin Taherkenareh

Auch dem iranischen Filmemacher Mohammad Rasolouf, dessen Todesstrafen-Drama "Es gibt nichts Böses" dieses Jahr den Goldenen Bären gewann, scheint die internationale Aufmerksamkeit zumindest einen gewissen Schutz zu gewähren. Auch er ist rechtkräftig verurteilt, wegen angeblicher "Propaganda gegen das System". Im Juni wurde er aufgefordert, seine Haftstrafe anzutreten, vorerst jedoch wieder nach Hause geschickt. Gegen seine Verurteilung protestierte unter anderem die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler.

„Sündhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch“ wird Nasrin Sotoudeh vorgeworfen. Immer wieder hat sie als Anwältin nicht nur gegen die Todesstrafe gekämpft, sondern vor allem auch Frauen verteidigt, die sich etwa dem Schleierzwang nicht beugen wollten. In „Taxi Teheran“ ist ihr strahlendes Gesicht von einem locker sitzenden Kopftuch umrahmt.

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