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Fanatisch. Macbeth (Michael Fassbender) und ein junger Krieger.

© Studiocanal

Michael Fassbender als Macbeth im Kino: Wut und Wahn im schottischen Hochland

Finsteres Schlachtengemälde: Justin Kurzel inszeniert Shakespeares "Macbeth" als blutrünstige Kino-Oper - mit Michael Fassbender und Marion Cotillard.

Auf sie, mit Gebrüll! Scharen von Kriegern rennen aufeinander zu wie eine Horde Uraffen, die Männer, wenn sie in Massen und nicht in Maßen auftreten, wohl noch immer sind. Monstermäßig, ob mittelalterlich oder modern.

Justin Kurzels neue Verfilmung von Shakespeares „Macbeth“ badet gerne in den Farben des Krieges, so als wäre Adam Arkapaws Kamera selber ein von Schmerz, Wut und Wahn entzündetes, entflammtes Auge. Da sind alle Himmel rot von Blut und Brand. Oder grau und braun wie die sonst öde Erde, deren Berghöhen am Horizont ein schmutziger Schneesaum deckt. Schottlands Sonne ist längst verglüht, ein totes Land, in dem der Krieg nur lebt und Krieger zeugt und Dumpfheit, Kälte, Dreck. Ein ewiges Wintermärchen.

„Macbeth“ ist oft schon im Kino gelandet. Die Geschichte vom königstreuen Feldherrn, dem drei Hexen nach gewonnener Schlacht die Krone prophezeien, den seine ehrgeizige Lady darauf zum Königsmord bewegt und der als Usurpator auf Schottlands Thron zum Tyrannen wird, schlaflos, ruchlos, von seinen inneren Furien gejagt, nur in der ihm hexenrätselhaften Gewissheit, dass er erst fallen wird, wenn seinem Schloss der ferne Wald sich nähert und ihm ein Mann entgegentritt, „den keine Frau gebar“.

Polanski nutzte den Stoff für einen Mantel-und-Degel-Schinken

Orson Welles hat das Drama 1948 noch sehr theaterkulissenhaft erzählt, mit sich selbst als psychologisch fein schattiertem Helden. Neun Jahre später machte Akira Kurosawa in der wohl besten, freiesten Verfilmung aus Shakespeares Stoff ein Samurai-Drama, „Das Schloss im Spinnwebwald“. Roman Polanskis „Macbeth“ mit Jon Finch war dann 1971 ein schick ausstaffierter Mantel-und-Degen-Schinken, und was an Varianten bis hin zur Bollywood-Version noch folgte, blieb ohne Belang. Dagegen wirkt der 41-jährige Australier Justin Kurzel in seinem zweiten langen Kinofilm (nach dem Psychokrimi „Die Morde von Snowtown“) nun erpicht darauf, etwas schier Unmögliches zu schaffen: „Macbeth“ mit Michael Fassbender in der Titelrolle als Panorama einer sozialrealistischen Fantasywelt.

Umwabert von Nacht und Nebeln, die selbst die Tage noch verschatten, lebt man im Schlamm und Schmutz, Hände und Fingernägel schwarz, die Gesichter schrundig, blutig oder im Kampf ganz rußig bemalt, wie maskiert oder tätowiert. Macbeth, bevor er in einer kahlen Kathedrale gekrönt wird und Schottlands Königsschloss auf Dunsinan bezieht, haust als Feldherr und Fürst noch in verhauenen Zelten. Es ist ein Waste Land, in dem die im Original gesprochenen Shakespeare-Verse trotz manch barttiefer Nuschelei und dialektal kaum verständlicher Färbung sonderbar hochgestochen klingen (die deutsche Synchronisation soll wohl an Ludwig Tieck gemahnen, in einem filmpoetischen Niemandsland).

Das alles wirkt so imposant wie leer. Ein mit Steinen bedeckter Kinderleichnam, offenbar ein Sohn von Lady und Lord Macbeth, soll als archaische oder doch eher psychologisch-sentimentalische Vorgeschichte einen Hauch von Tragik der Macbeth’schen Ehe andeuten. Doch Macbeth mordet die Söhne seiner Nebenbuhler keineswegs zwecks Kompensation eigenen Leids, sondern um potentielle Anwärter auf seinen Thron auszuschalten. Auch ein Kind, das Kurzel zu den drei Hexen wie ein lebendes Mahnmal gesellt, bleibt für die Handlung hier völlig bedeutungslos. Zumal es Handlung im eigentlichen Sinn kaum gibt.

Der Regisseur hat zuletzt vor allem Werbeclips gedreht

Nur ab und an etwas action. Aber die in Blutrot, Brandrot getauchten, zumeist in Zeitlupe inszenierten Kampfszenen verraten stilistisch nur: dass Kurzel zwischen „Snowtown“ und „Macbeth“ vor allem Werbeclips gedreht hat. Der Rest gefriert vor den wie Animationen erscheinenden Erdmondlandschaften und Katzengoldinterieurs zu Standbildern.

Michael Fassbenders von Schwermut umdüstertes, von Spuren des Krieges gegen andere und sich gezeichnetes Antlitz füllt in Totalen den halben Film: als Seelenlandschaft, so hätte es früher geheißen. Doch auch die klügsten oder (alb-)träumerisch tiefsinnigsten Augen, die in nichts anderes als eine Kamera schauen, zeigen nur stumme Blicke.

Außer einem wesenlosen Fanatismus (oder: Fatalismus) hat Fassbender unter Kurzels Regie nichts sonst zu erzählen – und zwischen ihm und seiner ihn vermeintlich antreibenden Lady gähnt wiederum nur Leere. Die als Edith Piaf und in vielen anderen Rollen so bezaubernde Marion Cotillard macht auch nur große, trauerumflorte Augen und schafft keinen magischen Moment, keinen anderen Ausdruck als den der fatalen Depression und Erstarrung. Triebe, Leidenschaft oder gar (selbst-)mörderischer Ehrgeiz sind zwischen ihr und Fassbender nie im Spiel. Kalte Liebe rostet doch.

Wenn die Lady kurz vorm Ende dahingeschieden ist, sagt Macbeth: „She would have died hereafter“, was Tieck einst als sarkastische Bemerkung „Sie hätte später sterben können“ übersetzt hat. Danach kommt die große Einsicht, dass das Leben nur ein „wandelnd Schattenbild“ sei, ein „Märchen ist’s, erzählt von einem Idioten, voller Klang und Wut“. Auch das verpufft, weil Kurzels „Macbeth“ selber nur ein Schatten ist von dem, was Fassbenders Macbeth hätte werden können.

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