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Rollbilder, Malerei und Manuskripte der Naxi. Installationsansicht in der Galerie Buchholz.

© Courtesy Galerie Buchholz, Berlin

Michael Oppitz in der Galerie Buchholz: Ethnologie mit Persönlichkeit

Der Ethnologe und Filmemacher Michael Oppitz forschte über Jahrzehnte im Himalaya. Die Berliner Galerie Buchholz gibt einen Einblick in sein Lebenswerk.

Eine solche Ausstellung bekommt man selten in einer Galerie zu sehen. Im ersten Geschoss der Galerie Buchholz (Fasanenstraße 30, bis 15. April) gibt der Ethnologe und Filmemacher Michael Oppitz unter dem Titel "Forschungen an den Rändern der Schrift" einen Einblick in sein Lebenswerk. Über Jahrzehnte lebte und forschte er in verschiedenen Regionen des Himalaya. Die so entstandenen Schwerpunkte werden in den einzelnen Galerieräumen ausgebreitet. Nach Schamanentrommeln, detaillierten Aufzeichnungen der Feldforschung und den Genealogien verschiedener Gesellschaften offenbart der letzte Raum Oppitz’ intensive Auseinandersetzung mit dem Mündlichen und Schriftlichen lokaler Kulturen.

Die Naxi zum Beispiel stützen sich für Überlieferungen und Rituale auf Bildzeichen, sogenannte Piktogramme. Sie stellen eine Gedächtnisstütze für die mündliche Überlieferung dar. Der Kunstbezug wird hier besonders deutlich, denn die bildnerische Begabung der Erschaffer in den ausgestellten Piktogrammschriften ist offensichtlich. Auch die Abbildungen auf lokalem Hanfstoff in der zehn Meter langen Vitrine forderten eine künstlerische Ader. Die Motive bilden den Weg durch die Hölle, Erde und in die himmlischen Sphären für einen Verstorbenen ab. Der Mittelweg zwischen Mündlichkeit und Verschriftlichung ist eine Besonderheit der Naxi. Ein Mythos, der in einer Sprachaufnahme abrufbar ist, begründet diese Schriftlosigkeit.

Werbeplakate, Broschüren und ein Shangri-La-Flipperautomat

In der Galerie taucht man durch Leihgaben des Völkerkundemuseums Zürich oder der Staatsbibliothek Berlin in die Welten des Himalaya. Ihre wundersame Andersartigkeit fasziniert den Westen schon lange. So kam es, dass vor knapp 90 Jahren die tibetische Paradiesvorstellung durch den Roman „Lost Horizon“ von James Hilton populär wurde. Werbeplakate, Broschüren und ein Shangri-La-Flipperautomat von 1967 beleuchten im ersten Raum den Eingang des Shangri-La in unseren Sprachgebrauch. Passend dazu bilden 47 Silbergelantine-Abzüge der Reihe „Flipper“ (1973) von Candida Höfer den Flipperautomaten als soziales Happening und Zeitvertreib ab. Die Sorgfalt von Höfers künstlerischen Arbeiten findet man bei Oppitz wieder. Auch wenn die Ethnologie eine Wissenschaft ist, erzeugt die Ausstellung mit den Gegenüberstellungen, Forschungsgegenständen, Überlieferungen und Fotografien eine Anteilnahme und Persönlichkeit, die eine rein dokumentarische Sammlung schwer vermitteln könnte. Was seine Arbeit ausmacht, erklärte Michael Oppitz 1981: „Genauigkeit produziert eine eigene Art des Schönen. Deshalb ist die Genauigkeit, wie ich sie für die Ethnographie, ob visuell oder verbal, fordere, eine Praxis der Kunst.“

Lorina Speder

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