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Kultur: Mies van der Rohe: Charakteristische Raumkonzepte:In der Textilkünstlerin und Designerin Lilly Reich findet der Architekt eine kreative Partnerin

Am Anfang steht ein Auftrag. Im April 1927 bittet Ludwig Mies van der Rohe Lilly Reich die Gestaltung der zentralen Halle der großen Stuttgarter Werkbundausstellung "Die Wohnung" zu übernehmen.

Am Anfang steht ein Auftrag. Im April 1927 bittet Ludwig Mies van der Rohe Lilly Reich die Gestaltung der zentralen Halle der großen Stuttgarter Werkbundausstellung "Die Wohnung" zu übernehmen. Die Berliner Textilkünstlerin und Designerin nimmt die Herausforderung an und realisiert in nur drei Monaten ein Konzept für acht verschiedene Abteilungen, die alle neuen Industrieprodukte, Möbel und Werkstoffe rund um das Wohnen präsentieren sollen. Damit beginnt die Zusammenarbeit und die persönliche Beziehung zwischen der Designerin und dem Architekten.

Lilly Reich wird 1885 in Berlin geboren und erhält eine kunstgewerbliche Ausbildung. Die üppigen Ornamente des zeitgenössischen Jugendstils lehnt die junge Frau ab. 1908 geht sie an die Wiener Werkstätte, um die eleganten geradlinigen Formen Josef Hoffmanns zu studieren. Nach ihrer Rückkehr eröffnet sie ein Atelier für Innenraumgestaltung und Mode. 1912 tritt sie dem Deutschen Werkbund bei und wird 1920 als erste Frau in dessen Vorstand gewählt. Mitte der 20er Jahre wird Reich nach Frankfurt am Main berufen, um für das Messeamt Ausstellungen zu gestalten.

Mit der Textilausstellung "Von der Faser zum Gewebe" feiert sie 1926 ihren ersten internationalen Erfolg. Durch die Reduktion auf wenige Gestaltungselemente gelingt es ihr, Maschinen und Rohstoffe so zu inszenieren, dass der Herstellungsprozess zum Ausstellungserlebnis wird. Was ursprünglich als Werbung für Glas in der Stuttgarter Werkbundausstellung geplant war, wird zur Sensation. "Wohnraum in Spiegelglas" ist das erste gemeinsame Architekturprojekt, das Mies und Reich einer Öffentlichkeit präsentieren. Die minimalistische Anordnung der Interieurs, die Gliederung der Funktionszonen durch verschiedenfarbige Bodenbeläge und die Akzentuierung durch präzise aufeinander abgestimmte Materialien gelten bis heute als Maßstab für modernes Wohnen.

Zu den Höhepunkten ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit gehört die Gestaltung des Deutschen Pavillons und der Präsentation deutscher Exponate auf der Weltausstellung in Barcelona 1929. Lilly Reich übernimmt die künstlerische Leitung für die 25 Einzelausstellungen. Für die Inneneinrichtung der Villa Tugendhat in Brünn 1931 ist Reich maßgeblich für die Auswahl und das Arrangement der Farben, Stoffe, Polsterbezüge, Teppiche und Möbel verantwortlich. Bei der Betrachtung der Innenräume begegnet man jener magischen Stimmung, die von den luxuriösen Materialien der Interieurs und dem eindrucksvollen Zusammenspiel ihrer Formen und Farben ausgeht und so charakteristisch für Reichs Raumkonzepte ist.

Die Berliner Ausstellung "Die Wohnung unserer Zeit" 1931 gehört zu den letzten, auf der gemeinsame Arbeiten von Mies und Reich gezeigt werden. Hier sind auch erstmals von Reich entworfene Stahlrohrmöbel zu sehen. 1932 wird Reich unter der Direktion Mies van der Rohes am Bauhaus Leiterin der Weberei und der Abteilung für Innenarchitektur bis die Nazis das Bauhaus in Dessau 1933 schließen. Nach seiner Emigration besucht Reich Mies van der Rohe 1939 in Chicago. Den Krieg überlebt sie mit kleineren Privataufträgen. 1945 versucht sie gemeinsam mit Scharoun und Taut den Deutschen Werkbund wiederzubeleben. Gleichzeitig bekommt sie einen Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Sie stirbt 1946.

Christine Sievers

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