zum Hauptinhalt

Kultur: Mir ging’s gut

Doku über Spitzensportler der DDR: „Einzelkämpfer“.

Von Christian Hönicke

Sport in der DDR: Das Thema verströmt die Faszination des Bösen. Als Verlierer des Systemkampfs mit dem Westen hat er keine Fürsprecher mehr, und anhand der Stasi-Unterlagen konnte und kann jeder die Abgründe des staatlich verordneten Zwangssports mit Wonnen ausweiden.

Sandra Kaudelka geht einen anderen Weg – und lässt in ihrem Film „Einzelkämpfer“ vier Sportidole der DDR ihre Geschichte erzählen. Zwischendurch meldet sie sich als Quasi-Betroffene aus dem Off. Die Leipzigerin war selbst bereits im Kindergarten für eine Laufbahn als DDR-Leistungssportlerin gecastet worden und webt immer wieder ergiebig ihre Insider-Erfahrungen in das anderweitige Erinnerungsmaterial ein.

Turmspringerin Brita Baldus, Kugelstoßlegende Udo Beyer und die 400-Meter-Weltrekordlerin Marita Koch verteidigen ihre Rolle in der DDR weiterhin, während die einst vom System ausgespuckte Sprinterin Ines Geipel mit unbequemen Wahrheiten dazwischenfunkt – etwa jener, dass ohne chemisches Nachhelfen keine Sporthelden möglich gewesen wären. Beyer outet sich hier erstmals als Doper, mit einer Selbstverständlichkeit, die die Denkweise des ganzen sozialistischen Sportapparats offenbart. Brita Baldus dagegen windet sich, und Marita Koch sagt zu dem Thema lieber nichts.

Die Stärke des Films: Er deckt die dunklen Seiten auf, führt aber die Protagonisten nicht vor. So wirkt „Einzelkämpfer“ nicht wie ein Manifest, sondern eher wie ein Selbsthilfeforum. Und zeigt anhand von Systemgewinnern und -verlierern recht subtil, wie das medaillengeile Regime junge Menschen vereinnahmte. „Sportler waren Objekte, mit denen man alles machen konnte“, sagt Geipel. Der Film aber blendet auch den Egoismus der Sportler selbst nicht aus, mit dem sie sich stillschweigend zu Werbeträgern einer Diktatur machen ließen. Für viele bedeutete die Wende keine Befreiung, sondern vor allem eine Bedrohung ihres privilegierten Status. Beyer sagt’s offen: „Ich habe das System nie infrage gestellt. Mir ging’s doch gut. Leistungssport in der DDR, das war Kapitalismus im Sozialismus. Ohne Leistung kein Geld.“ Realistischer ist der Sport in der DDR selten beschrieben worden. Christian Hönicke

Babylon Mitte, Krokodil

Zur Startseite