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Kultur: Mister Perfect

Schauspieler Sidney Poitier feiert 80. Geburtstag

Hollywood sei immer schon progressiver als der restliche Teil Amerikas gewesen – mit dieser Behauptung krönte George Clooney im vergangenen Jahr seine Oscar-Dankesrede. Außer Spike Lee protestierte niemand, dabei ist die Behauptung ungeheuerlich. Immerhin war es ein Hollywoodfilm, „Die Geburt einer Nation“ (1915), der den Ku-Klux-Klan wieder gesellschaftsfähig gemacht hat. Hollywood hat die Existenz schwarzer Boxer geleugnet zu einer Zeit, als selbst rassistische Südstaatler dem „braunen Bomber“ Joe Louis zujubelten. Und der Oscar, den Hattie McDaniel für „Vom Winde verweht“ (1939) bekam, war mit zwei Demütigungen verbunden: Sie und ihr Mann mussten während der Zeremonie in einer Ecke des Saals sitzen und in einer aufgezwungenen Dankesrede versprechen, auch in Zukunft ihre „Rasse“ würdig zu vertreten.

Sidney Poitier begann seine Karriere dagegen unter günstigeren Bedingungen. Das weltweite Entsetzen über die NS-Verbrechen hatte dazu geführt, dass offener über Rassismus in den USA gesprochen wurde, und das Kinopublikum zeigte sich nach 1945 empfänglich für sozialkritische Stoffe. Ausgerechnet in der McCarthy-Ära entstanden mutige liberale Filme gegen Rassendiskriminierung. Poitier debütierte in solch einem Film. Er spielte in Joseph L. Mankiewicz’ „Der Hass ist blind“ (1950) für 3000 Dollar einen Arzt. Es sollte sein Markenzeichen werden: Poitier machte dem Publikum klar, dass ein Schwarzer einen qualifizierten Beruf ausüben kann, und er war Vorbild für schwarze Jugendliche. Für Stanley Kramers „Flucht in Ketten“ (1958) musste er zwar Sträflingskleidung anziehen, aber dafür wurde er mit einer Oscar-Nominierung belohnt. Bei den Berliner Filmfestspielen wurde er für die Komödie „Lilien auf dem Felde“ (1963) ausgezeichnet und ein Oscar folgte.

Einen Absturz im klassischen Sinne hat es seitdem nicht gegeben. Poitier nahm keine Drogen, leistete sich keine Skandale, war ein liebevoller Vater für seine sechs Kinder. Er war Mr. Perfect – ein Anachronismus vor dem Hintergrund der Studentenunruhen, Malcolm X und Black Panther. Bei dem Thriller „In der Hitze der Nacht“ (1967) stahl ihm Rod Steiger als rassistischer Polizist die Schau. Zwielichtige Rollen sind nun einmal interessanter. In „Rat mal, wer zum Essen kommt“ (1967) wurde Poitiers Gutmenschentum auf die Spitze getrieben, denn der von ihm verkörperte Arzt war zugleich Anwärter auf den Nobelpreis. Die Botschaft: Nur mit Nobelpreis darf ein Schwarzer eine weiße Frau heiraten. Sogar zum Sir ist er ernannt worden, denn obwohl Poitier vor 80 Jahren in Miami zur Welt kam, war er aufgrund seiner Eltern Staatsbürger der Bahamas, damals eine britische Kronkolonie. Zu seiner Vorbildfunktion bekennt er sich zwar, aber als Sir will er trotzdem nicht herumstolzieren.

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