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Kultur: Mit besonderer Nase

Die Freie Theatergruppe „Poetenpack“ zeigte am Freitag im Q-Hof Carlo Collodis „Pinocchio“

Die Nase macht es! Wird sie länger, so hat man gelogen, kürzer, wenn wenigstens Einsicht regiert. Möglicherweise verschwindet ihre Überlänge auch ganz, aber nur, wenn man sich ganz sicher auf dem Weg der Besserung weiß. Gut ausgedacht von Carlo Collodi, diese alte Pinocchio-Geschichte von 1883 mit ihren schwindelerregenden Tiefen-Dimensionen, gut gemeint auch ihre pädagogische Absicht, aber wird so ein Ding auch heute funktionieren? Gerade erst aus einem schnöden Stück Holz geschaffen, rebelliert diese südländische Langnase ja sofort, gegen seinen Er-Schnitzer, gegen den Rat von Grille und Fee, er will weder hören noch zur Schule gehen. Wie soll das enden?

Die Freie Theatergruppe „Poetenpack“ machte am Freitag im schattigen Q-Hof die Probe, und gewann ihrem Werkregister, trotz Hitze- und Laola-Welle, eine schnuckelige, sehr kindgerechte Inszenierung dazu. Zu verdanken ist dies dem inzwischen frei arbeitenden Regisseur Roland Bertschi. Er kennt sich nicht nur im Kindertheater aus, sondern auch in den Mitteln, welche das Theater bietet. Seine früheren Inszenierungen trugen meist einen Hauch von Poesie in sich. Er hat sie eben, die besondere Nase.

Auch hier fällt „die Form“ (Ausstattung Janet Kirsten) zuerst auf: Mitten im Hof das nackte Gestell eines großen Marktschirmes. Er bietet Innen- und Außenräume, dreht man ihn ein paar Grad, ist ein Szenenwechsel vollzogen. So deutet ein mit Feuer und Kochtopf bemaltes Tuch, „Küche“ an, zu den „leeren“ Kostümen nebenan braucht man nur noch Schauspielerköpfe, um das Große Marionettentheater darzustellen. Gerade an dieser phantasievollen Inszenierung hat das Ensemble bemerkt, dass der bisher vertretene Realismus auch nicht alles ist. Vier Spieler stellen nun das große Spiel von der Menschwerdung Pinocchios dar.

Clara Schoeller, der Figur nach etwas frech und holzig, gibt den Pinocchio. Sehr vielseitig wieder Teo Vadersen, als väterlich getreuer Papa Gepetto als Rat gebende Grille, als Theaterdirektor. Herr vieler Rollen ist Philipp Eckelmann, zum Beispiel als betrügerischer Fuchs, doch Eva Gaigg steht ihm als Katze in nichts nach, als es darum geht, Pinocchio die fünf Goldstücke, tja, eben abzufuchsen. Sonst ist sie die liebe Fee, und so weiter.

Pinocchio selbst ist nicht böse, nur unerfahren, naiv. Er lässt sich noch das Unmöglichste einreden, schafft den Weg bis zur Schule einfach nicht, weil es auch draußen so viel Spannendes gibt. Eine Herausforderung für die Fee, Dea ex machina ihn zur Raison zu bringen! Sein Weg ist ja ein dauerndes Ja und Nein, auch wenn das die Inszenierung nicht immer zeigt. Der welsche Bub muss frecher sein, seine Zähmung mühsamer! Arne Assmann aber macht auf gleich fünf Instrumenten Musik, er spielt auch mit, in der sehenswerten Schulklassen-Szene, wo Pinocchio unverhofft mutig ist. Die vielleicht etwas rasch gezimmerte Inszenierung ähnelt selbst einem Holzschnitt, man liefert das Notwendige, nicht das Mögliche. Zügiges Spiel, phantasievolle Ausstattung, rasche Verwandlungen, Imagination. Ziemlich elegisch für ein Familien-Sommertheater, mehr Schwung fürs Ganze wäre nicht schlecht. Bleibt das Finale, die restlose Anpassung Pinocchios ins Gesellschaftliche. Seine anarchische Schwester Pippi Langstrumpf lebt bis heute den anderen Weg: Sie dreht allen Dresseuren eine schöne lange Nase! Gerold Paul

Weitere Vorstellungen am 13., 19. u. 20. Juli, 15 Uhr im Q-Hof, Lennéstr. 37

Gerold Paul

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