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Kultur: Mit der Hand gedacht

Meister der schwarzen Kunst: Das Kupferstichkabinett zeigt Rembrandt als Zeichner und Graphiker

Verträumt lugt sie unter dem Strohhut hervor, eine Frühlingsblüte in ihrer Rechten. Ein intimes Bild des Glücks. Am 8. Juni 1633 hält Rembrandt seine Braut Saskia in einer Silberstiftzeichnung fest, drei Tage zuvor hatte man sich verlobt. „Dies ist nach meiner Hausfrau gezeichnet, als sie 21 Jahre alt war“, notiert der spürbar stolze Künstler unter das zarte Konterfei. Eine Rarität, denn viel geschrieben hat Rembrandt zeitlebens nicht.

Das nur knapp 20 Zentimeter hohe „Bildnis Saskias als Braut“ ist das berühmteste Rembrandt-Blatt des Berliner Kupferstichkabinetts. Neben dem British Museum in London besitzt Berlin das wohl bedeutendste Konvolut von Rembrandt-Zeichnungen weltweit. Ein weitgehend ungehobener Schatz allerdings: Zuletzt umfassend ausgestellt wurde er 1930. Die Aufarbeitung, die in Berlin im Jubiläumsjahr nun vorgestellt wird, ist eine wissenschaftliche Sensation.

Holm Bevers, Oberkustos des Kabinetts und Rembrandt-Zeichnungsspezialist von Graden, verantwortet die Ausstellungsteile „Der Zeichner“, wo auch „Saskia“ lächeln darf, sowie „Ein Virtuose der Druckgraphik“, letzteren zusammen mit Gudula Metze. Er stellt mit der Ausstellung zu den Zeichnungen so etwas wie den ersten Teil seines Lebenswerks vor: Zehn Jahre schrieb der Kunsthistoriker am neuen kritischen Werkverzeichnis der Berliner Rembrandt-Zeichnungen, dem nun Katalog und Ausstellung zugrunde liegen. Gezeigt werden der Berliner Gesamtbestand eigenhändiger Zeichnungen sowie zwei Dutzend Schülerarbeiten, die vor wenigen Jahren noch als Werke des Meisters galten.

Rembrandt oder nicht? Die Frage, die beim „Mann mit dem Goldhelm“ schon einmal Berliner Gemüter erhitzte, stellt sich nicht nur bei den Gemälden, sondern eben auch bei fast allen Zeichnungen. Von rund 1400 Blättern, die der Wiener Kunsthistoriker Otto Benesch in den Fünfzigerjahren Rembrandt zuschrieb, halten Kenner wie Bevers nur noch ein Drittel für authentisch. Von den 126 Berliner Rembrandt-Zeichnungen, die Benesch aufgeführt hat, hielten nur 55 Blätter Bevers’ kritischem Blick stand. So paradox es klingt: Auch damit beweist die Berliner Kollektion Klasse. In Dresden blieben von ehemals 125 Zeichnungen gerade einmal 21 übrig.

Die Ausstellung vollzieht die Trennung in Rembrandt- und Schülerarbeiten sogar räumlich, in zwei Kabinetten. So muss ein paar Schritte gehen, wer den direkten Vergleich zwischen Meister und Eleven sucht. Nicht immer fällt er so deutlich aus wie zwischen Rembrandts um 1635 entstandener „Beweinung Christi“ und Gerbrand van den Eeckhouts wohl wenig später gezeichneter „Kreuzigung“. Äußerste formale Verknappung und psychologische Zuspitzung von Trauer und Leid hier; anekdotische Gesprächigkeit und unstimmiger Figurenaufbau dort.

Rembrandt, der Zeichner, dachte mit der Hand. Selten nur zeichnete er Vorstudien zu Gemälden oder Radierungen, lieber entwickelte er deren Komposition direkt auf der Leinwand oder der Kupferplatte. Zeitlebens spielte Rembrandt jedoch zeichnend neue Themen und Figurenkonstellationen durch. Seine Zeichnungen waren nicht als Sammlerware gedacht, sondern dienten ihm und der Werkstatt als Vorlage und Ansporn.

Rembrandt, der Radierer, dem die dritte Ausstellung gilt, suchte den Wettstreit mit den Großen der schwarzen Kunst: von Dürer und Lucas van Leyden bis Rubens. Neben 115 Radierungen und Kaltnadelarbeiten aus eigenem Bestand (insgesamt schuf Rembrandt knapp 300 Druckgrafiken) zeigt man in Berlin einige berühmte Blätter von Künstlerkollegen, die den passionierten Grafiksammler zu eigenen Interpretationen inspiriert haben. Auch als Grafiker blieb Rembrandt ein Himmelsstürmer – mit klarem Blick für die Poesie des Augenblicks.

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