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Kultur: Mit halber Kraft

Wo bleibt die große Dauerausstellung? Morgen zieht das Deutsche Historische Museum Jahresbilanz

Schon der Streit um die RAF-Ausstellung der Berliner Kunstwerke hätte anders verlaufen können. Oder die Diskussion um die Opfer der deutschen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg, die Auseinandersetzung um den Palast der Republik, die drohende Marginalisierung der Stasiakten: Der Bundesrepublik fehlt ein lebendiger und von Partikularinteressen unbehelligter Ort, an dem die Themen ihrer jüngsten Vergangenheit verhandelt werden können.

Das Deutsche Historische Museum in Berlin könnte, ja müsste ein solcher Ort sein. Seine seit Jahren bis hin zur Auswahl der Objekte vorbereitete Dauerausstellung – Schwerpunkt: deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts – sollte 2002 eröffnet werden. Doch das zentrale Geschichtsmuseum der Republik bietet noch immer nur Sonderausstellungen: mal über Jahrhundertthemen wie den Ersten Weltkrieg, mal harte Spezialistenkost wie die Hofjagd oder Biedermeierinterieurs. Zwar wurde das Zeughaus Unter den Linden, in dem die große geschichtswissenschaftliche Schau von der Römerzeit bis in die Gegenwart auf 7500 Quadratmetern Platz finden soll, im Januar 2004 nach zehnjähriger Bauzeit übergeben. Aber das Gebäude steht nach wie vor leer.

Noch zu Jahresbeginn hatte Hans Ottomeyer, der 2000 als Nachfolger Christoph Stölzls berufene Generaldirektor, die Dauerausstellung für Anfang 2005 versprochen. Wenn Ottomeyer morgen zur Jahrespressekonferenz lädt, wird neben den Ausstellungserfolgen und den 600000 Besuchern der Sonderausstellungen im Pei-Bau erneut von Verschiebung die Rede sein: Nun soll Ende 2005 eröffnet werden. Bis dahin tuckert der Museumsdampfer DHM weiter halb im Leerlauf dahin. Der spannendste Bildungsauftrag Berlins harrt seiner Realisierung.

18 Millionen Euro hatten das DHM und der 2001 mit der Erstausstattung beauftragte Ausstellungsarchitekt Jürg Steiner beim Bundesfinanzministerium beantragt. Nach mehreren Kürzungsrunden und erhöhten Sanierungskosten stehen jetzt noch rund 11 Millionen für die Ausstellungsarchitektur zur Verfügung: für rund 400 Vitrinen (für knapp 8000 Objekte), teils über vier Meter hohe Ausstellungswände, den Einbau zweiter Ebenen in die hohen Zeughaushallen, dazu die Einhaltung immer komplizierterer Brandschutz- und Baubestimmungen.

Der Bauherr Bund reagierte auf seine Weise: Im Juni 2002 bewertete der Haushaltsausschuss des Bundestags die museale Erstausstattung als Baumaßnahme. Seither wird sie vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung betreut. Für jede Stellwand muss nun ein erheblich größerer planerischer Aufwand betrieben werden. Dabei beruht die Grundidee von Steiners Ausstellungsarchitektur gerade auf einem flexiblen System.

Ottomeyer gibt als Verzögerungsgrund Umplanungen an: Aus Kostengründen musste die Ausstellung um 20 Prozent reduziert werden. Und der Genehmigungsweg sei aus Museumsperspektive ungewohnt formalisiert. Anfang März 2004 konnte das mit der Ausführung betraute Berliner Architekturbüro Christian Axt endlich die Pläne fertig stellen, erste Ausschreibungen werden jetzt vorbereitet.

Als Museumsmann hat Ottomeyer schon in München und Kassel gebaut. Wer mit ihm spricht, spürt seine Sorge über den in Berlin eingeschlagenen bürokratischen Weg. Zumal das Bundesamt auch für die Generalsanierung und Erstausstattung der maroden Häuser der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verantwortlich zeichnet. Auch Gisela Holan, Baureferentin der Stiftung, kennt die zusätzliche „Wahnsinnsarbeit“, der man sich jedoch „gerne beugt“. Das umständliche Procedere, erfunden, um Korruption Kostenexplosion zu verhindern, ist der Preis für die Finanzspritzen des Bundes.

Beim DHM ging es dem Bund wohl auch darum, die ohnehin gekürzten Mittel über einen längeren Zeitraum zu strecken. Unter der Prozedur leidet die Motivation der Museumsleute. Die Realisierung einer Ausstellung, gleich welcher Größe, ist schließlich nicht nur ein Verwaltungsakt, sondern ein kreativer Prozess – kurzfristige Änderungen inbegriffen: Selbst die beste Dauerausstellung wird nicht alle Fragen beantworten können, ehe sie gestellt sind. Ein Deutsches Historisches Museum, das aus trockenem Schulwissen Funken schlägt, ist nötiger denn je. Und das ohne weitere Verzögerung.

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