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Kultur: „Mit viel Alkohol fällt vieles leichter“

Nur das Aufwachen nicht. Heiner Lauterbach kennt sich da aus. Und deshalb hat er sich entschieden: für gesundes Essen, Sport, Familie.

Heiner Lauterbach, 52, wurde durch Doris Dörries’ Komödie „Männer“ zum Star. Zuerst war er auf die Rolle des harten Kerls abonniert, ein Image, das er durch promilleträchtige Schlagzeilen nachhaltig förderte. Neulich wählten Leser der „Gala“ ihn und seine Frau zum „Paar des Jahres 2005“.

Interview: Gabriela Herpell Herr Lauterbach, Sie sprechen mit rheinländischem Tonfall. Kann aus einem Kölner kein Bayer werden?

Die Leute, die drei Wochen in München wohnen und sich dann Lederhosen kaufen, sind mir suspekt. Wenn man so schnell seine Wurzeln aufgibt...

…Sie leben jetzt bald 20 Jahre in und um München.

Männer können ihre Zugehörigkeit eigentlich ganz gut einordnen, wenn sie fußballinteressiert sind. Ich gehe höchstens einmal im Jahr hier in München ins Stadion: wenn der 1. FC Köln spielt...

...Sie können Köln jedes Jahr sehen, solange 1860 in der Zweiten und Bayern in der Ersten Liga spielen...

...obwohl ich es wesentlich leichter hätte, wenn ich Bayern-Fan wäre. Zum einen kenne ich mittlerweile viel mehr Leute, die da spielen, zum anderen spielen die halt viel besser, und ich würde mich nicht so aufregen.

Sie haben mal gesagt: Zu Hause bedeutet Stillstand, und Stillstand bedeutet Ruhe, und Ruhe bedeutet Langeweile.

Das soll ich gesagt haben?! Na ja, vielleicht. Aber das ist eigentlich nicht so meine Art zu reden. Nee, das passt nicht zu mir, weil ich doch ein großer Familienmensch bin.

So? Früher zogen Sie lieber um die Häuser, als bei der Familie zu sitzen.

Es ist mir über lange Zeit meines Lebens schwer gefallen, die Zuneigung zu meiner Familie in Einklang zu bringen mit meinem Lebenswandel. Das war schon so bei meinen Eltern, später dann auch bei meiner ersten Frau. Das eine schließt das andere ja nicht unbedingt aus, aber es ist schwer unter einen Hut zu bringen.

Sie haben auch mal gesagt, Ihr Vater sei ein großes Vorbild für Sie.

Ja, das stimmt auch, aber nur teilweise. Mein Vater hat einen extremen Familiensinn – die bedingungslose Liebe, die er seinen Kindern gab, hat mich immer sehr beeindruckt. Aber darauf hat sich sein Familiensinn auch beschränkt: Er galt nicht für seine Frauen. Mein Vater nimmt Männer ernster als Frauen, seine Haltung geht da schon fast ins Mafiöse.

Davon halten Sie nicht so viel?

Nein, da bin ich ganz anders. Mein Vater hat beispielsweise nie verstanden, dass meine Frauen Einblick in und sogar Zugriff auf meine Konten hatten. Aber mit den Kindern sind wir uns sehr ähnlich. Ich würde für meine Kinder auch alles tun. Die Liebe zu Kindern hat eine ganz eigene Qualität, das kennt man vorher gar nicht. Als meine Mutter früher immer sagte, ich mache mir Sorgen, wusste ich gar nicht, was sie meinte.

Und jetzt, mit zwei Kindern, wissen Sie es?

O ja. Die Sorgen fangen an dem Tag an, an dem das erste Kind geboren wird.

Sie geben sich immer sehr offen und ehrlich. Aber: Kann man einem Schauspieler eigentlich trauen? Sie könnten einem alles vorspielen.

Das würde ich nicht tun. Oder, sagen wir mal, nicht, seitdem ich es beruflich mache. Als Kind, ja, als Kind schauspielert man sehr viel. Da kriegt man Weinkrämpfe und täuscht alles Mögliche vor.

Dafür braucht es eine gewisse Begabung.

Die hatte ich wohl. Ich weiß das nur aus Erzählungen meiner Eltern. Später fände ich es im höchsten Maße albern – und unaufrichtig sowieso. Ich wüsste nicht, wie uninteressant ein Mensch für mich sein müsste, dass ich ihm etwas vorspielen würde. Ich halte Aufrichtigkeit für eine der größten und wichtigsten Tugenden.

Sie sind mit Ihrer Aufrichtigkeit nicht immer gut gefahren, jedenfalls der Presse gegenüber.

Man darf Aufrichtigkeit nicht mit Blödheit verwechseln.

Waren Sie blöd?

Naiv allemal. Und schon mit Tendenz zur Blödheit. Denn wenn man mit einem Journalisten weggeht und dabei trinkt, neigt man dazu, Dinge zu sagen, die man einem Journalisten eben nicht sagen sollte. Man darf das aber auch alles nicht so ernst nehmen. Dann steht halt mal was drin, was man nicht so toll findet. Schlimm ist nur, dass alle voneinander abschreiben. Ich habe, glaube ich, 1985 in einem „Stern“-Interview gesagt: „Saufen, Zocken und Fußball sind Männersache.“ Das habe ich einmal gesagt in meinem Leben. Dann haben es alle geschrieben, als würde ich wie ein Volltrottel durch die Gegend laufen und von morgens bis abends immer nur sagen: „Saufen, Zocken und Fußball sind Männersache.“

Waren Sie früher eigentlich ein Hippie?

Ein Hippie?!

Ihre Jugend hört sich so an: durch Indien gezogen, Haschisch geraucht, bisschen LSD genommen, auch mal erwischt worden.

Nein, ein richtiger Hippie war ich nicht, dazu war ich zu konservativ. Ich erlebe das immer wieder, dass ich mich mit Leuten über soziale oder gesellschaftliche oder politische Themen unterhalte, und die sind dann überrascht von meinem doch sehr konservativen Geschmack. Heute heißt das „wertkonservativ“.

Waren Sie auf Demonstrationen?

Ich war nie auf Demos. Ich habe mir, wenn man so will, aus diesen zwei Philosophien, die man zur Verfügung hatte, die APO oder die Hippiebewegung, wieder mal inkonsequent, wie ich immer war in meinem Leben, die schönsten Dinge rausgezogen. Es war für mich nicht so erstrebenswert, von einer Demo auf die andere zu fahren und in sämtlichen Küchen der Nation zu diskutieren bis fünf Uhr morgens, auf der anderen Seite wollte ich auch nicht nur diese Flower-Power. Ich hatte zwar lange Haare und habe in einer Band gespielt, da musste man ja lange Haare haben. Sicher hat mich auch mein konservatives Elternhaus geprägt. Aber ich habe mich nie eingehend mit Politik beschäftigt, dann wird man doch schwermütig.

Haben Sie sich auf der Suche nach guter Laune gern im Milieu herumgetrieben? Sie waren oft auf der Reeperbahn in Hamburg.

Wie viele andere Schauspieler auch.

Warum zieht dieses Milieu gerade Schauspieler an?

Es gibt wohl viele Berührungspunkte zwischen der Halb- und Unterwelt und der Schauspielerei. Ich bin ein abenteuerlustiger Mensch, das war auch schon vor der Schauspielerei so. Ich wollte die Welt sehen und möglichst viel erleben. Zum anderen sind es auch tolle Fallstudien, die man da macht im Milieu. Wir leben ja unter anderem davon, die Menschen zu beobachten. Aber vor allem: Mit den Jungs wird es nie langweilig!

Was ist denn so unterhaltsam?

Da ist halt Stimmung in der Bude. Was da gesagt wird, ist meistens nicht druckreif.

Es geht um Alkohol und Frauen.

Klar. Und Zocken.

Jetzt wird es heißen: Der redet immer noch von Frauen, Saufen und Zocken.

Das ändert auch nichts mehr.

Herr Lauterbach, waren Sie jemals Single?

Länger als ein paar Wochen glaube ich nicht, nein. Ich bin nicht so der geborene Single.

Haben Sie das erste Mädchen, in das Sie verliebt waren, bekommen?

Das erste Mal verliebt war ich in der Volksschule. Wenn Sie unter bekommen verstehen, dass wir zusammen auf die Kirmes gegangen sind: Ja.

Das gilt, klar. Und die nächste?

Die auch. Warum wollen Sie das wissen?

Weil es einen für die Zukunft prägen soll, ob man am Anfang seines Liebeslebens Erfolg hatte.

Ich habe mich aber ziemlich schwer getan mit den Mädchen, sie zum Tanzen aufzufordern. Einen Korb kriegen wollte ich ungern.

Haben Sie mal einen Korb bekommen, den Sie nie vergessen haben?

Eben nicht, das habe ich ja vermieden durch meine Vorsicht und Zurückhaltung.

Aber als Sie bekannt wurden, wurde es leichter.

Es hat sich vor allem verändert mit meinem Alkoholpegel. Wenn man viel getrunken hat, fällt ja so vieles leichter.

Sie haben oft die Kontrolle verloren. Über Abende, über Ihre Darstellung in den Medien, über Beziehungen. Mögen Sie das Gefühl?

Habe ich mir auch nicht so viele Gedanken drüber gemacht. Immer die Kontrolle zu haben, war für mich sowieso ein nicht erreichbares Ziel, das habe ich mir nie gesteckt.

Wäre es heute ein erreichbares Ziel?

Nein, ich finde das auch nicht erstrebenswert. Es ist doch ganz einfach: Wenn man zu besoffen ist, hat man die Kontrolle definitiv verloren und macht Dinge, die man nachher im begrenzten Rahmen bereut – oder auch nicht. Das passiert mir nicht mehr.

Trinken Sie gar keinen Alkohol mehr?

So gut wie keinen. Mit dem Gar-nichts-Trinken, das ist so eine Sache. Das suggeriert, Alkoholiker zu sein, und das möchte ich lieber nicht. Ich möchte in der Lage sein, ein Glas oder mal acht Gläser zu trinken und dann aufzuhören. Das gelingt mir. Ich habe im vergangenen Jahr vielleicht drei Gläser Rotwein und vier Weißbier getrunken...

...das haben Sie früher locker an einem Abend...

Nein, damit fing der Abend erst an. Mir ist sehr wichtig, dass ich das mit meinem Willen schaffe. Das Leben wäre mir zu eingeschränkt, wenn mir ständig die Angst im Nacken sitzen würde, bei einer Cognacbohne rückfällig zu werden.

Würden Sie sagen, Sie haben die Kurve gerade noch bekommen?

Ich glaube, dass man als Suchtmensch geboren wird. Man kann sich dann für oder gegen das Trinken entscheiden. Wenn man sich dagegen entscheidet, kommt der Alkoholismus nicht zum Tragen. Wenn man aber trinkt, wird man Alkoholiker. Ich war ein extrem starker Trinker bis hin zur physischen Notwendigkeit. Wenn ich es so richtig habe krachen lassen, musste ich morgens schon aus kreislauftechnischen Gründen was trinken.

Das, was man im Volksmund ein Stützbier nennt.

Ja, sonst bin ich schlecht draufgekommen. Das führt auch zu einer Form des Alkoholismus.

Wenn Sie jetzt abends auf der Terrasse sitzen, fehlt Ihnen der Alkohol?

Manchmal ist es schon so, dass ich gerne eine Flasche Rotwein trinken würde. Wenn nette Leute da sind, einer raucht Zigarre, man sitzt am Meer…

Dann könnten Sie sich ja ein Glas erlauben.

Das mache ich nicht, weil so ein Glas 160 Kalorien hat, bei zweien sind es 320, und dann muss ich schon wieder eine halbe Stunde aufs Laufband. Das lohnt sich doch nicht. Dazu bin ich zu sehr Kölner: Wir haben immer gesagt, das ist rausgeschmissenes Geld, zwei Gläser.

Geht nur ganz oder gar nicht?

Ja. Was zur Folge hat, dass ich, wenn ich essen gehe, um zehn oder um halb elf, spätestens aber um elf nach Hause fahre, weil dann die Leute anfangen, mir zum zweiten oder zum dritten Mal dieselben Geschichten zu erzählen.

Nicht alle Menschen sind um halb elf blau.

In meinem Bekanntenkreis schon. Na ja, viele. Und ich sage Ihnen: Allerspätestens im Auto freue ich mich darüber, dass ich früh zu Hause bin und am nächsten Morgen früh aufstehen kann. Wäre leichter, wenn alles nur positiv wäre – ab und zu vermisst man schon mal so einen leicht chaotischen Abend. Aber das hält sich wirklich in Grenzen. Vor allem den Morgen danach, den vermisse ich nicht.

Sind Sie morgens mit einem schlechten Gewissen aufgewacht?

Das ist vorgekommen. Aber das schlechte Gewissen hing zusammen mit Dingen, die man getan hat, die für andere nicht schön waren.

Sie leben jetzt gesund, sind fast ein bisschen schmal geworden. Achten Sie auf jedes Gramm?

Ich weiß halt, wie lange ich für einen Rotwein laufen muss. Ich hatte vorher zehn Kilo mehr, und die haben mich gestört. 90 Kilo waren es. Als ich die neun davor gesehen habe, wusste ich, hier ist Schluss. Da haben wir in Italien gedreht – jeden Tag zwei Flaschen Rotwein und zehn Mal Pasta. Dann habe ich aufgehört zu trinken und angefangen mit dem Sport, da fielen die Kilos von allein ab. Gesund gegessen habe ich immer schon. Ich beschäftige mich immer mehr mit Ernährung und entwickle sogar im Moment zusammen mit einem Ernährungswissenschaftler und dem Sternekoch Alfons Schubeck gesunde und trotzdem leckere Produkte, die wir „Trigusto“ nennen.

Extremer Sport als Ersatz für Alkohol? Das ist eine Art Verlagerung der Sucht.

Wenn ich Sport mache, geht es mir danach gut. Ich weiß über die Hormonausschüttungen Bescheid, die Endorphine. Aber ich habe ein bisschen Angst vor solchen Vergleichen. Sicher ist es so, dass mir etwas fehlen würde im Tagesablauf, wenn ich keinen Sport mache. Wenn man 30 Jahre so gelebt hat wie ich und damit ruckartig aufhört, da sind am Tag rund acht Stunden nicht ausgefüllt. Viele viele Jahre habe ich diese Stunden damit verbracht, in der Kneipe zu sitzen und zu saufen. Die muss ich irgendwie verbringen.

Wenn man sein Leben so verändert, bleiben da Freundschaften auf der Strecke?

Ein paar schon, da merkt man dann plötzlich, dass man mit denen wirklich nur gesoffen hat. Die meisten bleiben aber. Sie sind auch älter geworden – und zahmer. Es waren ja auch nicht alle so hart drauf wie ich. Ich habe jeden Tag so getrunken wie andere an Silvester.

Das ging ans Herz.

Das Vorhofflimmern war eine Infektion und keine direkte Folge meines Lebenswandels. Ja, vielleicht hätte der Körper diese Infektion besser weggesteckt, wenn ich weniger getrunken und mehr Sport gemacht hätte, genau weiß das niemand. Das war nicht der Auslöser für die Veränderung in meinem Leben, wenn Sie darauf hinauswollen.

War’s Ihre Frau Viktoria?

Ja, sie hat sicher viel dazu beigetragen. Aber ich war selbst bereit dafür, man kann jemanden nicht umkrempeln. Mir stinkt das sowieso ein bisschen: Wenn man Blödsinn macht, ist man selber verantwortlich dafür, und wenn man sich anständig benimmt, dann haben die Frauen einen umgekrempelt. Das kann ja wohl nicht sein!

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