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Kultur: Mit Vollgas kommt man schneller in der Hölle an Lärmlust pur: Die Retrorocker The Datsuns

spielen jede Show, als wäre es die letzte

Ein kleiner schwarzer Kasten war die Rettung. An jeder Kreuzung sagte er mit freundlicher Frauenstimme, wie es weitergeht. Die jungen Männer aus Neuseeland gehorchten und fanden so den Weg von Jackson, Mississippi, nach New York. „Wir waren vorher noch nie mit Linkssteuer gefahren und schon gar nicht auf sechspurigen Highways. Zum Glück hatten wir dieses Navigationssystem“, erzählt Dolf de Datsun von der ersten US-Tour seiner Band The Datsuns.

Es war ein echtes Rock’n’Roll-Abenteuer, und der Sänger und Bassist ist zwei Jahre später noch immer hörbar stolz darauf. Damals war das Quartettt aus der neuseeländischen Kleinstadt Cambridge noch fast unbekannt. Es flog auf eigene Kosten in die USA, um von einem Mini-Club zum nächsten zu fahren. Wer so was macht, muss ein bisschen verrückt sein und sehr fest an sich glauben.

Weil das Glück aber manchmal mit den Verrückten ist, kamen The Datsuns anschließend nach London. Nach wenigen Konzerten waren sich die Journalisten und Talentscouts einig, dass diese vier dünnen Burschen das nächste große Ding des Gitarrenrock-Revivals werden würden. Plötzlich war ihr Foto auf dem Cover des „New Musical Express“, und die Plattenfirmen lieferten sich einen Bieterkampf. Am Ende setzte sich V2 durch und veröffentlichte im Herbst 2002 das Debütalbum der Datsuns.

„Das war alles völliger Zufall“, sagt Gitarrist Phil Datsun mit gesenktem Blick, als wäre es ihm peinlich, dass seine Band zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Auch Frontmann Dolf de Datsun betont, dass man eigentlich gar nicht in den Retrorock-Hype passte: „Ich dachte immer, wir sind zu hart und nicht hübsch genug.“

In der Tat unterscheidet sich der Sound des Quartetts stark vom coolen Minimalismus der White Stripes, der nöligen Eleganz der Strokes oder dem netten Postgrunge der Vines. The Datsuns machen rotzigen Hardrock mit Ausflügen in den Glamrock. Zwei Gitarren ballern raue Riff-Formationen heraus, die Rhythmussektion drückt erbarmungslos aufs Tempo; und der Gesang schlägt regelmäßig um ins Hysterische.

Die Songs tragen Titel wie „Motherfucker from Hell“ oder „Freeze Sucker“. Man muss sie laut hören, am besten in einem schnellen Auto oder auf einer Party, bei der Männer in Lederjacken auch nach dem zwölften Bier noch stehen. Es ist eine zeitlose, innovationsfreie Musik, die ihre Einflüsse von Deep Purple und T. Rex bis zu Led Zeppelin und AC/DC nicht versteckt. Woran auch der Bandname einen Anteil hat: Die Idee, sich als Brüder auszugeben, kommt von den Ramones.

Die Stärken der Band liegen eindeutig auf der Bühne. Dort lässt sie ihre Energie explodieren, verströmt schweißnasse Leidenschaft und pure Lärmlust. „Wir spielen jede Show, als wäre es unsere letzte“, sagt Gitarrist Phil. Diese Einstellung hat den Mittzwanzigern zu einem prominenten Produzenten für ihr zweites Album verholfen: Nachdem John Paul Jones, früher Bassist und Keyboarder bei Led Zeppelin, die Band zwei Mal live gesehen hatte, entschied er sich, mit ihnen zusammenzuarbeiten. „Eigentlich wollten wir gar keinen Produzenten für das Album“, erinnert sich Dolf de Datsun „doch als John Paul Jones uns sagte, dass er uns ehrlich, einfach und möglichst nah am Live-Sound aufnehmen wollte, waren wir überzeugt.“ Jones übernahm im Studio die Rolle eines zurückhaltend Beraters. Zudem spielte er – ebenfalls sehr dezent – bei drei Stücken Hammond-Orgel bzw. Keyboard.

Insgesamt bleiben The Datsuns mit ihrem zweiten Album „Outta Sight/Outta Mind“ dem einfachen Rock ihres Debüts treu, haben sich aber in einigen Punkten weiterentwickelt. So trauen sie sich, auch mal den Fuß vom Gas zu nehmen und mit Laut-Leise-Dynamiken zu arbeiten. Vereinzelt finden sich sogar Popmelodien („What I’ve lost“) und Bluesrock-Einflüsse („Cherry Lane“).

Sänger Dolf de Datsun steht es gut, dass er seltener seine Axl-Rose-Masche abzieht und stattdessen mehr auf seinen tiefen Kehlensound vertraut. Die Band selber findet, dass sie reifer klingt, weil sie mehr erlebt hat: Alle Bandmitglieder haben in den letzten zwei Jahren Trennungen hinter sich gebracht. Sie scheinen es gut verkraftet zu haben und rücken sogar näher zusammen. Vor kurzem haben sich The Datsuns in London eine gemeinsame Wohnung genommen.

The Datsuns spielen heute um 21 Uhr im Berliner Mudd Club. Das Album „Outta Sight/Outta Mind“ erscheint am 7. Juni bei V2.

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