zum Hauptinhalt

Kultur: Mitstreiter gesucht

Berlins prominentester Projektraum „Autocenter“ ist umgezogen. Entsteht da eine neue Kunsthalle?

Das könnte gut werden, denkt man schon beim ersten Blick. Der Raum hat den Charme eines Industriebaus, eine lange Fensterfront rechts, eine raumfüllende Schrankwand links. Noch sind die Regale leer, aber an diesem Vormittag hat die Türglocke schon ein paar Mal geschrillt. Künstler in winterlichen Parkas betreten den Raum, Pakete unterm Arm. „Wow, schöner Raum. Wohin mit dem Bild?“ Das Autocenter, Berlins wohl bekanntester Projektraum, wird nach mehrmonatiger Pause wiedereröffnet, in einer ehemaligen Bücherei auf der Leipziger Straße.

Rund 150 Künstler aus dem riesigen Autocenter-Netzwerk stellen nun je ein Kunstwerk aus. Frank Nitsche hat ein Objekt aus alten Elektroteilen mitgebracht, das an eine Mischung aus Roboter und vergreistem Techno-Tänzer erinnert. Tatjana Doll ist mit einer zarten Papierzeichnung dabei, es gibt Werke von Thomas Scheibitz, Olaf Nicolai oder Norbert Bisky. „Jeder entscheidet selbst, was er zeigt“, sagt Maik Schierloh, der zusammen mit dem Künstler Joep van Liefland das Autocenter gegründet hat.

Vor ihrer Auszeit ließen Schierloh und van Liefland durchblicken, dass sie den Projektraum weniger als Off-Space denn als Kunsthalle verstehen. Dass Autocenter mittlerweile seit 12 Jahren existiert, sprengt in Sachen Kontinuität den Rahmen typischer Künstler-Projekträume, die wegen mangelnder Finanzierung und hoher Selbstausbeutung der Beteiligten oft nur temporär existieren. Autocenter zieht nun ins Zentrum der Stadt – bis vor ein paar Monaten residierten sie in einem Rohbau über einem Discounter in Friedrichshain. Die Wiedereröffnungsschau ist als großes Who Is Who der Berliner Kunstszene und als stolze Rückschau auf Geleistetes inszeniert. Was haben die Macher vor? Steuern sie tatsächlich in Richtung unabhängige Kunsthalle?

Um ihre Ausstellungen nicht nur aus der eigenen Tasche zu finanzieren, haben Schierloh und van Liefland einiges probiert. So veranstalteten sie 2011 eine Benefiz-Auktion, für die das Auktionshaus Philips de Pury & Company sogar einen Versteigerer spendierte. „Vom Erlös der Auktion konnten wir anderthalb Jahre lang Miete bezahlen“, so Schierloh. Lust auf weitere Aktionen dieser Art hat er allerdings nicht. „Viele wollen einfach nur Schnäppchen machen.“ Das sei nicht in ihrem Sinne. Für die jetzigen 150 Arbeiten in den Regalen gibt es denn auch keine Preisliste.

„Wir haben nicht vor, vom Kunstverkauf zu leben“, sagt Schierloh. „Unser Ziel ist es, gute Ausstellungen zu machen und möglichst viele Künstler einzubinden. Die Leute sollen ihre Werke aus den Studios direkt hierherbringen.“ Man spürt förmlich den Tatendrang, wenn Schierloh die Räume zeigt, die sich hinter der üppigen Bücherschrankwand verbergen – Platz für ein Residenzprogramm und Arbeitsräume. Im Juni ist eine vierwöchige Autocenter-Sommerakademie geplant, mit 20 hochkarätigen Dozenten, die Kunstklassen für 120 Teilnehmer veranstalten und öffentliche Vorträge halten. Der Hauptstadtkulturfonds finanziert einen Teil der Kosten. Demnächst bespielt Autocenter ein Kunstmuseum in Irland, internationale Gastspiele werden immerhin bezahlt. Aber reicht das? Mittlerweile gibt es einen Verein der Freunde des Autocenters, der von einem Sammlerpaar getragen wird. Aber es ist nicht leicht, weitere Mitglieder zu gewinnen, sagt Schierloh.

Die freie Kuratorin Biljana Ciric, Expertin für zeitgenössische Kunst in China, veröffentlichte kürzlich ein Buch mit dem Titel „Institution for the future“, in dem sich Persönlichkeiten wie Yoko Ono, Marina Abramovic oder Hans Ulbrich Obrist Gedanken über Kunstorte der Zukunft machen. Dass viele Museen und Institutionen zu starr sind, um der dynamischen Kunstszene der Gegenwart einen Rahmen zu bieten, ist ein globales Manko. Künftige Institutionen sollten immun sein gegen Budgetkürzungen und ignorante Regierungen. Sie sollten in Gemeinden, Familien und Freundeskreise hineinwirken können, regional und global ausstrahlen, schreibt Sam Bower, Initiator eines Online-Museums in Cirics Buch. Die Autorin selbst spricht von „Künstler-Museen“ und davon, dass jeder als seine eigene Institution agieren sollte.

Die Künstlerin Tatjana Fell, die Netzwerke wie Arttransponder ins Leben rief und vor kurzem bei der Preisvergabe an sieben Berliner Projekträume durch den Senat in der Jury saß, findet hingegen, dass keine neuen Institutionen nötig sind. „Begriffe wie Institution und Kunsthalle bezeichnen für mich leere Container, in denen Ausstellungen veranstaltet werden. Ein Projektraum dagegen hat eine Haltung.“ Fell versteht unter Projekträumen, nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt sofort, kooperative, transdisziplinäre Netzwerke. Hier kann nicht nur Kunst ausgestellt, sondern auch Wissensproduktion organisiert werden. Bloß die Finanzierung bleibt ein Problem.

„Bei Kunsthallen und Institutionen gibt es einen öffentlichen Auftrag. Den haben wir nicht und wollen ihn auch nicht haben“, sagt Schierloh. Und dass das Autocenter sich wie ein Automobil selbst vorantreiben soll. Dafür braucht es weniger Käufer als Unterstützer.

„The legend of the shelves“, Leipziger Str. 56, Mitte; bis 6.4., Di – Sa 16 – 19 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false