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Kultur: Modell Mallorca

Ein paar von denen können auch gerne zu uns nach Deutschland kommen.Aber sie sollen ordentlich deutsch lernen, sie sollen "Oh Tannenbaum" singen und Mortadella essen, wie wir.

Ein paar von denen können auch gerne zu uns nach Deutschland kommen.Aber sie sollen ordentlich deutsch lernen, sie sollen "Oh Tannenbaum" singen und Mortadella essen, wie wir.Das Leben ist eine Deutschstunde, sagen die Konservativen.

So, und jetzt schauen wir uns mal eine andere multinationale Gesellschaft an, in Mallorca.

Fünf Prozent der Bevölkerung von Mallorca sind Deutsche.In jenen Gegenden Mallorcas, die sie besonders mögen, stellen die deutschen Einwanderer sogar zehn Prozent der Bevölkerung.Also etwa die Quote, die türkische Mitbürger in manchen deutschen Großstädten erreichen.Die Deutschen auf Mallorca benehmen sich nicht etwa, im Sinne der Konservativen, vorbildlich, indem sie sich unsichtbar machen, Katalanisch lernen und fleißig zum Stierkampf gehen.Statt dessen verhalten sich die wohlhabenden Deutschen auf Mallorca etwa genauso, wie sich die Mehrzahl der weniger wohlhabenden Türken in Deutschland verhält.Sie integrieren sich höchst unvollkommen.Die Deutschen sehen deutsches Fernsehen und fliegen öfter mal nach Hause.In Mallorca haben sie ihre eigenen Kneipen, ihre eigene Wurstfabrik, ihre eigene Partei ("Amigos Alemanes en Espana"), eigene Zeitungen und, als Krönung des Deutschseins, ihre eigene Bierbrauerei.Sie ignorieren die Landessprache und bleiben gerne unter sich."Sie bringen sogar ihre Klempner aus Deutschland mit", berichtete eine spanische Zeitung empört.

Viele Mallorquiner sind empört.Sie sagen: Mallorca ist kein Einwanderungsland.Es gibt dort neuerdings den "Verband zur Verteidigung Mallorcas", eine Organisation, die Ausländern betont distanziert gegenübersteht.Gewalt gegenüber Ausländern gibt es auf Mallorca nicht.Von diesem wichtigen Unterschied abgesehen, kommen einem die Probleme und die Frontstellungen nur allzu bekannt vor.

Die Internationalisierung der Welt ist in vollem Gange, das weiß jeder.Paradox ist allerdings die Tatsache, daß im Zeitalter von Flugzeug und Fernsehen die Durchmischung der Völker und Kulturen eher langsamer vonstatten geht als vor 100 Jahren.Das Fernsehen funktioniert als Nabelschnur zur Heimat, und der Heimweg nach Istanbul oder nach Düsseldorf ist heutzutage immer kurz, egal, von wo aus.Und von hübscher Ironie ist die Erkenntnis, daß die meisten Deutschen im Ausland kein bißchen integrationswilliger sind als, umgekehrt, die meisten Ausländer in Deutschland.Der Berliner Innensenator Schönbohm müßte, als konsequenter Konservativer, die mallorquinischen Deutschen zur Heimkehr aufrufen.Sie werden ihm aber was husten. mrt

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