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Kulturelle Grenzgängerin. Haidy Hamdy verbindet in ihrem Silberschmuck Elemente beduinischer und nubischer Kultur.

© promo

Modeszene in Kairo: So viele Talente

Das Projekt „Cairo Fashion Art“ hilft ägyptischen Designern. Ihre spannenden Entwürfe und Kreationen sollen besser vermarktet werden.

Von Aleksandra Lebedowicz

Die Koffer sind schon aufgeklappt. Jetzt muss Haidy Hamdy nur noch ihre Wintersachen zusammenpacken. Dann kann die Reise nach Berlin endlich losgehen. Die 31-jährige Designerin aus Kairo präsentiert von Mittwoch an ihre Schmuck- und Kleiderkollektion auf der „Import Shop Messe“. Und fiebert ihrem Debüt schon entgegen. „Ich hoffe, die Sachen kommen bei den Besuchern gut an“, sagt sie. Neue Kundschaft – das wäre ihr größter Wunsch.

Mode hat Haidy Hamdy seit ihrer Kindheit fasziniert. „Ich habe ganze Papierblöcke mit Entwürfen und Skizzen vollgekritzelt“, sagt sie schmunzelnd. Dass aus dem Hobby ein Berufswunsch wurde, war nicht selbstverständlich. Denn bis vor einigen Jahren war es in Ägypten nicht nur verpönt, sondern gar unmöglich, Mode zu studieren. Eine entsprechende Fachrichtung existierte nicht. Inzwischen habe sich einiges bewegt. „Eine Reihe von Instituten bieten das Fach Modedesign an. Immer mehr Mädchen sind interessiert und wollen ihren eigenen Stil kreieren.“

Viele von ihnen werden jetzt im Rahmen des „Cairo Fashion Art Projekts“ unterstützt. Das vom Import Shop initiierte Programm wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über das gemeinnützige Unternehmen Sequa gefördert. Rund 80 Studenten und 40 Designer und Designerinnen haben die Chance bekommen, unter professioneller Aufsicht ihre Kollektionen zu verfeinern. Das Konzept beruht auf wechselseitigem Lernen: Die erfahrensten Studenten begleiten kleine Gruppen, die später selbst ausbilden sollen. Die Projektleitung hat Susanne Kümper übernommen.

Mode aus Tausendundeiner Nacht. Gestalterinnen aus Ägypten verbinden moderne Formen mit traditionellen Motiven.
Mode aus Tausendundeiner Nacht. Gestalterinnen aus Ägypten verbinden moderne Formen mit traditionellen Motiven.

© promo

Die gebürtige Essenerin hat die Bildungslandschaft in Ägypten ganz schön aufgemischt, als sie vor 13 Jahren an der Helwan-Universität in Kairo den ersten Modestudiengang des Landes mit aufbaute. Dabei war sie eigentlich nur nach Ägypten gekommen, um ihren Bruder zu besuchen. Bald darauf saß sie, damals noch Modestudentin in Hamburg, als Praktikantin vor der Strickmaschine in einem Atelier. Es lag direkt am Nil.

„Die Revolution hat uns alle inspiriert“

Edel mit einem Hauch orientalischer Raffinesse – ein Kleid aus reiner Seide.
Edel mit einem Hauch orientalischer Raffinesse – ein Kleid aus reiner Seide.

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Das Land hat sie so begeistert, dass sie nach dem Studium zurückkehrte. Ihr Aufenthalt an der Helwan-Universität wurde vom Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) finanziell unterstützt. Bis 2005 habe sie sechs Jahre lang an der Fakultät für Angewandte Kunst „neben Illustration und Schneiderei vor allem kreatives Denken unterrichtet“. Ihr Engagement trägt Früchte. Eine Designerin, die sie ausgebildet hat, wird jetzt Modeprofessorin.

Dennoch: Eine wirkliche Modeszene existiere in Kairo kaum, sagt sie. Da stecke Ägypten noch in den Kinderschuhen. „Es gibt zwar sehr interessante Textilproduzenten, doch sie arbeiten für große Ketten, wie Tchibo oder Aldi. Für Design bleibt da nicht viel Platz.“ Bedauerlich, findet Kümper, weil es „viele Talente gibt“.

Neuerdings geriet Mode auch politisch in ein Spannungsfeld. „Plötzlich ist alles, was mit Mode zu tun hat haram, also Sünde“, sagt sie. Das Kopftuch erlebt unter der Regierung der Muslimbruderschaft eine Renaissance. Nachrichtensprecherinnen moderieren verschleiert, Frauenzeitungen werden zensiert und geschwärzt. Droht Kairo, seinen Charme als kreativer Schmelztiegel schon bald zu verlieren? Haidy Hamdy ist zuversichtlich. „Die Revolution hat uns alle inspiriert und uns neue Energie gegeben, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.“

Sie bleibt, ähnlich wie die acht übrigen Designerinnen, die gemeinsam mit ihr nach Berlin kommen, eine kulturelle Grenzgängerin. Das reflektieren auch ihre Entwürfe. Inspiriert von orientalischer Exotik, entwirft sie Mode, die den westlichen Ansprüchen genügt und traditionelle Motive zeitgenössisch umsetzt. Ihre Kreationen aus purer Seide verziert sie mit raffinierten Applikationen, die in einer ägyptischen Art von Patchwork, der Khayameia, entstehen. Speziell ist auch ihr Schmuck. In Handarbeit verarbeitet sie Silber mit Edelsteinen. Die Muster spielen mit den Ornamenten beduinischer und nubischer Kultur.

„Künstlerische Identität, individueller Stil – das bedeutet Mode. Daran muss man jeden Tag hart arbeiten“, sagt Susanne Kümper. Das Durchhaltevermögen haben die Teilnehmer des Cairo Fashion Art Projekts allemal. Doch sie tun sich schwer, einen Markt zu finden. Um von den Entwürfen leben zu können, brauchen sie regelmäßige Abnehmer, die faire Preise zahlen. Der Auftritt auf der Messe sei eine gute Gelegenheit, Handelsagenturen auf sich aufmerksam zu machen, glaubt Kümper. Und hofft, dass die Frauen hier auch private Kontakte knüpfen können. Mit Besucherinnen, die „Kairo von einer ganz anderen Seite kennenlernen wollen“.

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