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Kultur: Monster Movie

Augenlose Kreaturen, passiv und stumm wie Steine. Goethe, der hoffte, „das Urtier zu finden, den Begriff, die Idee des Tiers“, hätte seine Freude an diesen Wesen gehabt.

Augenlose Kreaturen, passiv und stumm wie Steine. Goethe, der hoffte, „das Urtier zu finden, den Begriff, die Idee des Tiers“, hätte seine Freude an diesen Wesen gehabt. Mario Merz , Meister der Arte Povera, klebte dickes, schwarzes Papier auf halb transparente Folie. Schatten von Echsen, Schlangen, gepanzerten Urtieren, geschuppten Untieren. Auf den fünf in der Buchmann-Galerie ausgestellten, großen Arbeiten aus dem Nachlass des 2003 gestorbenen Künstlers prangen die Schemen wie Fossilien (bis 26. Mai, Charlottenstraße 13). Die größte hängt an einem für Merz typischen, frei stehenden Gerüste, dem Schattenriss sind zwei Doppelgänger beigefügt, die hinter die Folie geheftet sind und durchschimmern. Wie eine Bewegungsstudie sieht das aus. Der Italiener, der seit seinen künstlerischen Anfängen mit Naturmaterialien arbeitete, umkreiste seine Fabelwesen mit Pastellkreide – als wolle er sie zähmen, bannen und erforschen. Als betreibe er rituelle Höhlenmalerei. Auf einer Assemblage aus den siebziger Jahren klebt ein Schneckengehäuse auf Mörtel. Auch um sie herum eine Spirale, mit Kohle gezogen, die die Form des Gehäuses weiterträgt. Es herrscht Harmonie, Maß und Ordnung (ab 80 000 Euro).

Die Tiere, die der 1977 geborene New Yorker Brian Montuori auf Papier malt, haben es nicht so gut. Auf seinen Acrylbildern, zu sehen bei Christian Ehrentraut (bis 14. Juni, Linienstraße 132, nach Vereinbarung), verlieren sie jede Majestät. Sie sind in Panik. Das größte Bild zeigt Zoolieblinge, gemalt in neoexpressiver Hysterie und als Karikatur. Sie schiffen auf einer zerfetzten Arche, gegen die Géricaults „Floß der Medusa“ ein Luxusliner ist. Die Tiere mit Menschengesichtern krallen sich an ihr Boot, ein Zicklein balanciert auf einer Planke, ein Knut fletscht die Zähne, denn er droht von den Wellen weggeleckt zu werden (11 000 Euro). Die kleineren Arbeiten (4800 Euro) erschüttern mehr, weil sie weniger symbolschwer sind und das Grauen nur ahnen lassen: Sind das Spiralfedern, die sich in ein Schaf drehen oder dem Tiger in den Kopf bohren? Spiralen versprechen hier keine Ordnung wie bei Merz, sondern sind nur ein weiterer technoider Baustein in einem kaputten Kosmos.

Daniel Völzke

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