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Kultur: Montag links oben: Das 21. Stockwerk

Lass uns etwas Glamouröses machen! Lass uns einen Hauch von Luxus spüren!

Lass uns etwas Glamouröses machen! Lass uns einen Hauch von Luxus spüren!"

Der Versuch ist gründlich missglückt. Ich werde sehr, sehr lange brauchen, um mich von letzter Nacht zu erholen. Der Kater, den die sechs Gin-Tonic verursacht haben, wird verschwinden. Aber das Gehalt meines Freundes, das ich zwischen 20 Uhr und 20 Uhr 30 in Trance verspielt habe, wird nicht wiederkommen.

Dabei wollten wir doch nur mal etwas Tolles erleben. "Lass uns heute ins Casino gehen, Schatz!"

Mitten auf dem Alexanderplatz steht der Hort unseres Unglücks. In der 21. Etage vom Forum Hotel stürzte ich uns in den Ruin. "Das ist besser als Kino!" Ich war begeistert. Ich war aufgeregt. Hübsch zurecht gemacht, fuhren wir im Taxi in Richtung Forum Hotel. Endlich gab es einen Grund, sich schick zu machen. Mein Freund saß im Anzug neben mir auf dem Rücksitz: "Du siehst super aus, Schatz!"

Ich war unsicher. Am liebsten hätte ich mir noch schnell ein Kleid von Gucci besorgt. "Hinterher müssen wir wieder gehen, weil wir nicht schick genug sind!" Wir hielten uns an den Händen. "Ach was!" Mein Freund war voller Zuversicht: "Wir knacken den Jackpot!" Seine Taschen waren voller Geld: "Heute Nacht sollst Du meine Glücksfee sein."

Das Taxi hielt an, wir stiegen aus. Vor uns stand riesig das Forum Hotel im Sonnenuntergang. "Oh Schatz. Wie romantisch!"

Auf dem Weg nach oben tauschten wir einen letzten Kuss im Fahrstuhl aus. Dann öffnete sich im 21. Stock die silberne Zaubertür verheißungsvoll vor unseren Augen.

Aber was war das? Mein Freund und ich konnten es nicht fassen: Der Anblick, der sich uns bot, hatte nichts von Luxus. Die schwarzen Wände, der dunkle Teppichboden, die tiefen Decken mit den unverkleideten Heizungsrohren drückten auf unser Gemüt. Menschen um die siebzig gaben ihre verschlissenen Mäntel an der Garderobe ab. Dicke Damen mit lila Locken hatten sich in wild gemusterte Polyesterblusen von Humana gehüllt. Herren mit den über die Glatze gekämmten Haaren hatten sich alte BVG-Jacketts besorgt. Sah etwa so der heilige Casino-Dress-Code in der Praxis aus?

"Wir sind zu schick!" flüsterte ich. "Wir sind zu jung!" wisperte mein Freund zurück. Hinter der Rezeption stand ein halbes Dutzend leichenblasser Rentner am Roulettetisch und stapelte Chipstürme auf den Filz. Im bläulichen Schimmer des Schwarzlichtes verspielten sie schamlos ihre Rente. "Oh Gott, lass uns gehen!" Doch dafür war es zu spät. "Ihre Pässe bitte!"

Die blasse Empfangsdame mit der viel zu großen Kostümjacke kontrolliert unsere Ausweise nach Ostblock-Manier. Unruhig trete ich von einem Bein aufs andere. Habe ich vielleicht doch etwas auf dem Kerbholz? Nachdem sie mit unseren Pässen fertig ist, mustert sie uns: "Und was wollen Sie spielen?" Ich lächle schüchtern: "Das, bei dem man am meisten gewinnt!" Ich war fest entschlossen, die Stimmung aufzulockern. Wir bekamen einen Stapel Informationsmaterial in die Hand gedrückt: "Lesen sie sich die Spielregeln aufmerksam durch!" Wir gehorchten. Hinter der Bar flimmerte "TV Berlin" über zwei große Monitore. Wie gelähmt hockten wir auf unseren Stühlen und versuchten, uns auf die Broschüren mit den Spielregeln zu konzentrieren. Schließlich mussten wir uns erst mal Mut antrinken. Und nach dem dritten Gin-Tonic ging plötzlich alles wie von selbst. Wir taumelten neben den schwitzenden Mann am Black-Jack-Tisch, und ich warf unsere Chips hin. Zuerst lief es bestens, wir stießen mit Gin-Tonic an. "Wir gewinnen, wir gewinnen!"

Eine halbe Stunde später war auf einmal das Geld weg. Noch gegen 20 Uhr 20 hatte mein Freund verzweifelt versucht, mich aufzuhalten. "Jetzt komm! Du bist betrunken!" Allerdings erfolglos. "Lass mich, ich spüre es - gleich gewinne ich!" Aber nichts da. Von einer Sekunde zur anderen gefror mein Lächeln. All die hübschen Plastikchips wurden einkassiert. "Oh Schatz, das tut mir leid!" Keinen Pfennig hatten wir mehr. "Wie kommen wir jetzt nach Hause, Schatz?"

Kilometer weit sind wir nach Hause gelaufen. Unterwegs sind meine Riemchenschuhe gerissen. "Es tut mir so leid, Schatz!" Danach ging es barfuß weiter. Und eben habe ich geniest. Ich weiß, diese Nacht werden wir nie vergessen. Wir werden lange brauchen, um uns davon zu erholen.

Am nächsten Montag: Thea Dorn.Ihr Thema:

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