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Kultur: Montag links oben: Mann beißt Hund

Seit letztem Wochenende habe ich wieder märchenhaft Hoffnung in Ehepaare. Sie können so gut zwischen zerstrittenen Liebenden vermitteln.

Seit letztem Wochenende habe ich wieder märchenhaft Hoffnung in Ehepaare. Sie können so gut zwischen zerstrittenen Liebenden vermitteln. Dazu muss ich etwas ausholen und von Rudi und mir berichten. Rudi und ich sind seit einem halben Jahr zusammen und im Durchschnitt zwei Tage der Woche gut miteinander, zwei Tage vollends zerstritten, den Rest der Zeit verbringen wir mit der so lange wie möglich durchgehaltenen Entscheidung, nicht derjenige zu sein, der zuerst anruft. So geht das Woche um Woche, und zu leiden hat darunter mein Jack-Russell-Terrier Joschi.

In den letzten fünf Jahren war ich mit kurzen Unterbrechungen Single, Herr Joschmann schlief bei mir im Bett, mal am Fußende, mal auf dem zweiten Kopfkissen. Er war der Herr im Haus. Nun kam Rudi und entschied, das Bett sei zu klein für drei, es gebe ja auch Hundekörbe. Ich richtete dem Joschmann ein Daunenlager neben dem Bett ein und erzählte ihm seine Gute-Nacht-Geschichte dort. Spätestens morgens um fünf sprang der Hund ins Bett und baute sich eine Mulde zwischen Rudi und mir. Davon wachte ich auf, unternahm aber nichts, in der Hoffnung, diese Unterteilung der Nacht in zwei Hälften könne die Lösung sein. Auch Rudi wachte jedesmal auf, stellte fest, dass ich nichts unternahm, und zog aufs Sofa im Wohnzimmer um. Herr Joschmann rollte sich zufrieauf Rudis Kopfkissen zusammen. Wortkarges Frühstück.

Die folgenden Tage zog Rudi es vor, bei sich zu übernachten, ich bat in solchen Nächten Herrn Joschmann, doch bitte bei mir im Bett zu schlafen, was der mal tat, mal nicht. Als Lückenbüßer ist man ja nun auch nicht auf der Welt. Blieb Herr Joschmann die ganze Nacht auf seinem Hunde-Daunenlager, rief ich morgens Rudi an, dass er mir fehle. Versöhnung. Nun ging alles von vorn los: Rudi bei mir, Herr Joschmann morgens um fünf zwischen uns, ich abwartend, Rudi aufs Sofa, Joschmann aufs Kopfkissen, Rudi ab in seine Wohnung. Eines Tages rief ich wieder mal bei Rudi im Büro an, ihm zu sagen, dass er mir fehle. Ans Telefon ging sein Kollege Kubielka. Schrecklicher Mensch, Ihr Lebensabschnittsgefährte, seufzte Herr Kubielka, ständig dieses Konferenzen-vor-der-Zeit-Verlassen mit dem Wort: Dann werde ich ja wohl hier nicht mehr gebraucht! Ob ich das vielleicht auch kenne? So sehr, stöhnte ich, dass ich schon gar keine Lust mehr habe, ihn überhaupt je wieder anzurufen. Mach ich auch nicht! Nun, sagte Herr Kubielka vergnügt, dann gehen Sie doch stattdessen mit Ihrem Hund um den Block. "Genau das tue ich jetzt, Herr Kubielka, war ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern."

Beim Spazieren entschied ich: Herr Joschmann reicht mir als Mann in meinem Leben. Wir sind komplett. Es begegneten uns nun meine zwei liebsten Nachbarinnen, beide Ende siebzig, die eine mit weißem Spitz, die andere mit schwarzem Scotchterrier. Wir alleinstehenden Hundehalterinnen führten das übliche Gespräch über unsere Gesundheit und die unserer Hunde: Wir haben es unterschiedlich doll in der Hüfte, unsere Hunde haben mal dies, mal das, aber muss ja und nützt ja nichts. Kaum oben, rief ich Rudi an und sagte, dass er mir fehle. Versöhnung. Rudi blieb nachts bei mir. Um fünf der Joschmann zwischen uns, Rudi aufs Sofa. Als ich aufwachte, hatte ich vom Leben genug und beschloss, nie mehr aufzustehen.

Jetzt geschah etwas Überraschendes: Rudi brachte mir Tee ans Bett und sagte, abends hätten wir eine Verabredung mit Kubielka und Frau. Kubielkas sind schon zehn Jahre verheiratet und vertragen sich anscheinend ganz gut. Nach zwei Cocktails im Sonnenuntergang sagte ich zerknirscht: Liebe Freunde, wenn das so weitergeht, zeige ich mich selbst beim Tierschutzverein an. Dieser arme Hund weiß doch gar nicht mehr, wo er schlafen soll. "Das nenne ich aber ein Einsehen", frohlockte Herr Kubielka, "schläft der Hund ab jetzt die ganze Nacht auf seiner Daunendecke?" Ja, dafür will ich sorgen, versprach ich. "Und könnte es sein, Rudi", fragte Frau Kubielka, "dass Sie die Umsiedlung des Hundes auf sein Schlafkissen liebevoll unterstützen werden?" "Will ich gern", sagte Rudi.

Ich warf Frau Kubielka einen dankenden Blick zu und nahm den Joschmann auf meinen Schoß. Die Männer zogen bestens gelaunt an den Tresen, um die Cocktails mit ein paar frisch gezapften Bieren zu löschen. Herr Joschmann sprang von meinem Schoß, verzichtete auf meine Gute-Nacht-Geschichte über einen Hund, der einen Schlafplatz ganz für sich allein haben durfte - und schloss sich den Herren am Tresen an.

Nächste Woche: Alexa Hennig von Lange.

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