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Kultur: Montag links oben: Zwölf Eichenstühle

Das war kein Albtraum. Das war die Wirklichkeit.

Das war kein Albtraum. Das war die Wirklichkeit. Ich fand mich in einem Einrichtungshaus. Ich! Für viele andere Menschen ist das ja normal, die laufen ja täglich in Einrichtungshäusern rum. Die machen ja nach Feierabend nahezu gewohnheitsmäßig Windowshopping im Einrichtungshäusern. Aber ich doch nicht! Und nun doch. Ich stand also in diesem Einrichtungshaus, eine Mittdreißigerin, eine von vielen übrigens, sehnsuchtsvoll einen massiven Eichentisch fixierend. Sah Kerzen. Hörte Geschirrklirren. Roch leckeres Essen. Ich wusste wirklich nicht, warum ich vor diesem Eichentisch samt zwölf schweren Eichenstühlen stand, denn ich hatte in meinem ganzen Leben noch nicht an jemandes Eichentisch gesessen, geschweige denn selbst einen besessen. Und wozu auch? Trotzdem. Ich sah mich bereits das Portemonnaie zücken und diesen Eichentisch kaufen, bar bezahlen, liefern lassen, urgent.

Aber wer zur Hölle würde dran sitzen? Mit meinen Freunden krieg ich die zwölf nicht voll, die haben sich in letzter Zeit drastisch reduziert, dem Umstand Rechnung schuldend, dass ich beim Baden so gern telefoniere. Ich nehm also mein Telefon mit in die Wanne und ruf dann jemanden an oder warte, bis es klingelt oder gehe kurz vor einem verabredeten Anruf in die Wanne. Und manchmal habe ich eben nasse Hände, und dann wird auch das Telefon nass. Jedenfalls geht seit einigen Monaten die Sieben nicht mehr. Und ich möchte auf diesem Wege Petra, Alexandra, Lars, Ben, Gregor und Arndt herzlich grüßen, die jeweils eine oder mehrere Sieben... ähm... Siebens? Siebenen? Wie ist da der Plural?... in ihren Telefonnummern haben.

Ich halte das für ein Zeichen und betrachte unsere Freundschaft als beendet. Schönes Leben noch! Zwölf Menschen passen an den Eichentisch, der noch nicht ganz in meinen Besitz übergegangen ist. Und voll möchte er schon sein, um richtig zur Geltung zu kommen. Drei Freunde (ohne Siebener-Nummer) hab ich noch. Bleiben neun zu besetzende Eichenstühle. Ich könnte auf dem Kudamm Menschen ansprechen, Passanten, Touristen, Dienstleistende. Da drüben zum Beispiel, den jungen Mann am Kranzler-Eck, der vormittags in dieser albernen überdimensionalen Apfelsine steht und frisch gepresste Säfte ausschenkt. Aber was soll man mit dem reden? Ihn fragen, ob er glücklich ist, ob ihm das peinlich ist, ob er Träume hat, ob er von Orangen träumt? Ach nee.

Plötzlich fiel mir wieder ein, wie ich einige Tage vorher meinen Wetterfee-Schreibtisch ausgeräumt und bei dieser Gelegenheit meine Autogrammpost weggeworfen... ups!... in Alben geklebt hatte. Einige Briefe enthielten Bitten. Zum Beispiel fragte ein Zuschauer, ob ich nicht mal als Gast zu Kerner gehen könnte und, wenn nicht, ob ich dann nicht wenigstens Gabi Bauer überreden könnte, zu Kerner zu gehen. Ein anderer wollte, dass ich ihm ein Autogramm von Hans Meiser besorge oder wenigstens eins von Arabella Kiesbauer. Auch Autogramme von Günter Pfitzmann, Sandra Maischberger und Hera Lind wurden bei mir angefragt. Die Zuschauer denken offenbar, wir wohnen alle zusammen, in einer lustigen Star-WG. So weit würde ich nicht gehen, aber man könnte ja eine schwunghafte Promi-Autogramm-Tauschbörse aufmachen. Einmal im Monat eine Promi-Selbsthilfegrupee an diesem Eichentisch. Wir könnten dort sitzen, Bärbel Schäfer und Michel Friedman, Katja Burkhardt und Hans Mahr, Claudia Schiffer und Boris Becker, Cindy und Bert, Herman und Tiedgen und die Gebrüder Klitschko. (Das sind schon zwölf, also müssten meine Freunde wegbleiben und der Typ aus der Riesen-Apfelsine auch, und ich müsste mir einen Hocker holen.) Wir würden also da sitzen und im Chor sagen: "Ich heiße Pipapo und ich bin prominent."

Oder ganz andere Besetzung. Jeder macht, was er kann. Alfred Biolek kocht, Verona Feldbusch macht einen Blubb rein. Stefan Raab spielt auf der Ukulele und ruft Pulleralarm aus. Katja Riemann singt oder, schlimmer, liest aus einem ihrer Kinderbücher vor. Andreas Türck rauft sich die Haare und schreit: Ich bin out! Ich bin out! Ich auch, sagt Anke Engelke. Und ich erst!, sagt Margarethe Schreinemakers. Ich bin so out, dass ich fast schon wieder in bin...

Schweißperlen treten auf meine Stirn, und ich verlasse eiligen Schrittes und gesenkten Kopfes das Einrichtungshaus. Diese Eichentisch-Kaufbegehren-Abgewöhnungs-Strategie (man kann dasselbe auch mit Verwandten durchspielen) stelle ich zu Ihrer freundlichen Verfügung.

Nächste Woche: Doja Hacker.Ihr Thema

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