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Kultur: Moral versus Kunst: In Amerika bedrohen Sittenwächter die staatliche Kunstförderung

Kann es denn wahr sein? Schon Robert Mapplethorpes homoerotische Fotografien gelten in Amerika als zu obszön, um mit öffentlichen Geldern ausgestellt zu werden.

Kann es denn wahr sein? Schon Robert Mapplethorpes homoerotische Fotografien gelten in Amerika als zu obszön, um mit öffentlichen Geldern ausgestellt zu werden. Es klingt wie ein Drama aus dem 19. Jahrhundert, was der Experte Robert Brustein in der American Academy über den in Amerika tobenden Kulturkampf berichtete. Es ist ein Kampf um die Verteilung der staatlichen Fördergelder für Kultur, um das Budget des National Endowment of the Arts (NEA).

Christliche Gruppierungen haben erreicht, dass der Kongress das Budget des NEA von über 170 Millionen Dollar auf 100 Millionen gekürzt hat. Ihr Argument: Ein Großteil der geförderten Kunstwerke bestehe nicht den gesetzlich festgeschriebenen "Anstands-Test". Und das in einem Land, das beim Zurschaustellen des Intimlebens seines Präsidenten keine Grenze kennt!

Das NEA ist nicht irgendeine Institution der staatlichen Kunstförderung, es ist ihr Zentrum. In der aktuellen Debatte geht es aber nicht nur um die vermeintliche Obszönität eines Kunstwerkes. Es geht darum, inwieweit ein demokratischer Staat verantwortlich ist, der Kunst ihren Freiraum zu schaffen, in dem sie sich jenseits politischer oder marktgesetzlicher Einwände entfalten kann. Denn das will die Mehrheit der Amerikaner nicht mehr mittragen. Oder ist es nur eine einflussreiche Minderheit? Brustein, Leiter des angesehenen American Repertory Theatre in Cambridge Massachusetts, weiß es nicht. Klar ist, diese Lobby hat neben der Etatkürzung auch durchgesetzt, dass nun mit den restlichen 100 Millionen Dollar auch Kunsthandwerk, Kleinkunst und Trommelkurse bezahlt werden. Das "amerikanische Volk" solle auch etwas von der Kunstförderung haben.

Brustein plädiert dafür, die Förderung der Avantgarde-Kunst ganz aus der staatlichen Hand zu nehmen und sie durch eine Neuregelung der Tantieme zu sichern. Nicht nur die 75 Jahre nach der Erstveröffentlichung eines Kunstwerks sollen Tantiemen an den Künstler oder seine Erben gezahlt werden, sondern 150 Jahre lang. Die zusätzlichen Einnahmen sollen dann der Künstlerförderung zugute kommen. Hoffentlich wird es dann keine Sittenwächter geben, die meinen, das Volk vor allem Guten, Wahren und Schönen schützen zu müssen.

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