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Kultur: Morden ist leichter als heiraten

Ein Amerikaner in Heidelberg: Steven Blooms Campus-Heimat-Krimi-Satire „Die menschliche Schwäche“

Wer jemals zusammen mit Busladungen japanischer und amerikanischer Touristen vom Schloss hinab auf die Heidelberger Altstadt geblickt hat, bekommt eine Ahnung von der wunderschönen Unwirklichkeit dieser tief in der Romantik verharrenden Welt: Heidelberg ist eine grandiose Kulisse für unsere Sehnsucht nach Heimeligkeit, dem undefinierbaren Alten und Mystischen. Es scheint, als würde sich hier nichts verändern – selbst die jedes Jahr sich frisch immatrikulierenden Studenten tragen zu dieser merkwürdigen Zeitlosigkeit bei. Jedes Semester bringt neue junge Gesichter in die Stadt, und wer hier hängen bleibt, der mag sich manchmal vorkommen wie ein Museumswärter oder ein ewiger Tourist.

Steven Bloom ist hängen geblieben. Vor mehr als 30 Jahren kam der ehemalige Englisch-Dozent und Autor an den Neckar, und zwar aus Brooklyn. Seine bisherigen Romane und Erzählungen spielen in New York, meist in der Zeit seiner Jugend, in den 50er Jahren. Seine Figuren sind Juden, die sich jüdische Witze erzählen und genauso gut aus den Werken Saul Bellows oder Philip Roths stammen könnten. Allerdings sind es meist einfache Leute, die ihre Weisheit tief in sich tragen und nur in Gesprächen am Tresen einer Bar ihre Gefühle offenbaren. Blooms Bücher, auf Englisch geschrieben, sind bislang nur auf Deutsch erschienen – in der wunderbar lakonischen Übersetzung von Silvia Morawetz. Auch „Die menschliche Schwäche“ – man denkt unwillkürlich an Roths „Der menschliche Makel“ – hat Morawetz ins Deutsche gebracht. Und zum ersten Mal wechselt Bloom die Szenerie. Irgendwann musste er wohl auch literarisch in Heidelberg ankommen, und wenn schon, denn schon: Er lässt kaum ein touristisches Klischee aus.

Die Geschichte ist ein wenig kompliziert und kolportagehaft: Ein Mann wird ermordet am Heidelberger Schloss gefunden. Es stellt sich heraus, dass er Jude war, und die Stadtverwaltung befürchtet nun einen immensen Skandal und Besuchereinbußen so kurz vor Beginn der Festspielsaison. In kleinen Szenen und mit einem Personalaufwand, der auch jedem russischen Romanklotz Ehre machen würde, wird der Mörder gejagt und über das hinter dem Mord stehende Komplott spekuliert.

Das ist meistens sehr lustig – Steven Bloom ist ein begnadeter Dialogschreiber und Pointenautor. So erklärt etwa die Studentin Linda der Frau des Oberbürgermeisters, dass es sehr viel einfacher sei, einen Mord zu begehen, als jemanden zu heiraten. Die Logik ist bestechend: „Angenommen, Sie haben jemanden umgebracht. Sie fühlen sich vielleicht schuldig oder sind aufgeregt, vielleicht müssen Sie sich sogar übergeben, aber wie auch immer, die Tat ist und bleibt geschehen. Sie brauchten sie nicht tagein und tagaus noch mal zu begehen. Deshalb ist es leichter als eine Ehe.“

„Die menschliche Schwäche“ ist natürlich nicht nur ein Kriminalroman, obwohl es einen Toten gibt und ein Täter gesucht wird. Es ist auch nicht nur ein Campusroman, obwohl die Heidelberger Uni eine prominente Rolle spielt. Und es ist nicht allein ein Provinzroman, obwohl man viel über die Querelen im Stadtrat und über das Gemauschel unter den Einwohnern erfahren kann. Blooms Buch ist letztlich eine Satire über die Unmöglichkeit des Zusammenlebens von Mann und Frau. Und über die Unmöglichkeit, es nicht doch immer wieder zu zweit zu versuchen. Kein großes Buch vielleicht, aber ein charmantes, gewitztes und geistreiches allemal. Ulrich Rüdenauer











Steven Bloom:
Die menschliche Schwäche. Roman. Wallstein Verlag. Göttingen 2011. 192 Seiten. 18,90 €.

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