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Kultur: Müder Herrscher, lässiger Held

Wenn einer Diener und Herrscher zugleich sein will, ist das ein schwieriger Spagat.Eberhard Esche braucht den "großen", den formvollendeten, geistvollen Text, um als Sprecher dienen und als Darsteller herrscherlich gestalten zu können.

Wenn einer Diener und Herrscher zugleich sein will, ist das ein schwieriger Spagat.Eberhard Esche braucht den "großen", den formvollendeten, geistvollen Text, um als Sprecher dienen und als Darsteller herrscherlich gestalten zu können.Er spürt dem Rhythmus klassischer Dichtungen nach.Mit einer Gescheitheit, die sich gern vorzeigt, aber auch mit einer leisen Ironie.Er erhöht das Spiel mit Sprache zu einem öffentlichen Genuß - als gelte es, ein vorzügliches Gericht abzuschmecken mit erlesenen Zutaten.Esche macht sich dabei bewußt zum Schwierigen, der gern allein arbeitet, sich nur mit einigem Widerstand ins Ensemble fügt.Er stellt hohe Anforderungen, zuerst an sich selbst, aber dann an die Regisseure und alle Mitspielenden.Er verlangt Sprache, die sich ihrer Würde bewußt ist.Deshalb hat er sich unter den lebenden Stückeschreibern besonders Peter Hacks aufgeschlossen, dem traditionsbewußten, wortmächtigen Ironiker.

Nach Anfängerjahren in Meiningen, Erfurt, Chemnitz kam Eberhard Esche 1961 zum Deutschen Theater Berlin, entdeckt und gefördert von Wolfgang Langhoff, der für ihn bis heute Vorbild und Beispiel gestaltender Theaterarbeit geblieben ist.Ganz besondere, tiefe Bindungen fand Esche zu Benno Besson.Er spielte Anfang der sechziger Jahre den Tumult im "Frieden" (Aristophanes/Hacks), den Schnell in "Zwei Herren aus Verona" (Shakespeare) und dann, 1965, den Lanzelot in "Der Drache".Das war ein Held wie aus dem Bilderbuch, groß, schlank, sicher.Und doch ganz anders.Esche zeigte die leise Müdigkeit, die verschattete Neugier des zum Siegen verpflichteten Berufskämpfers.Und machte deutlich, daß das gewohnte, "schöne" Bild vom Helden nicht stimmt.Dieser Drachentöter war, wenn er liebte, ein wenig erleichtert und doch immer fast gelangweilt.Wenn er sich lässig zeigte, dann war diese Lässigkeit von Melancholie überlagert.Und in der Anstrengung, immer wieder Feigherzigen auf die Beine helfen zu müssen, steckten neben pädagogischem Eifer auch Müdigkeit und Ekel.In 17 Jahren hat Eberhard Esche den vagabundierenden Helden 650 mal verkörpert - eine theatergeschichtliche Leistung.

Große Rollen folgten - Amphitryon, Satanael und Seneca in Stücken von Peter Hacks und 1979 Wallenstein in Schillers von Friedo Solter inszenierter Trilogie.Esche zeigte das Zwielichtige des Feldherrn; Leises, Beherrschtes schnellte plötzlich hoch zu einer nervösen, herrschsüchtigen Gespanntheit.Er brachte einen Spieler, einen Versucher auf die Bühne, klug und eitel, erst leise und dann heftig ausbrechend, mit heller, hoher Stimme.Am Ende machte Esche die unangreifbare Würde des ins Private zurückgezogenen, von allem Dämonischen erlösten Feldherrn deutlich.Nach dieser Rolle ins Theater-Alltägliche zurückzufinden, war für ihn nicht leicht.

Wie er im Ensemble Lichtpunkte setzen kann, bewies Esche 1992 als Ignatius in Thomas Langhoffs Inszenierung von Hofmannsthals "Der Turm".Wichtige Aufgaben übernahm er in Stücken von Shaw, Euripides, Shakespeare, frönte aber vor allem seiner Vorliebe für Soloabende.Mit Heines "Deutschland, ein Wintermärchen" begeistert der Rezitator ein treues Publikum seit fast einem Vierteljahrhundert.Er macht den Text sprühend lebendig, setzt Pointen jeden Abend anders, gestaltet die Dichtung aus dem politischen Augenblick heraus.

Eberhard Esche hat in vielen Filmen gespielt, Hörspiele gemacht, Platten produziert.Er ist, im Theater, ein Unbequemer, mitunter auch ein Starrsinniger, der keine Kompromisse macht und Routine nicht zuläßt.Aber er ist unbequem aus Kenntnis und Erfahrung.Er hat sich dabei immer Humor bewahrt - und wer seinem verschmitzten Lächeln standhalten kann, muß noch gefunden werden.

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