zum Hauptinhalt

Kultur: München dunkelt (Glosse)

Nicht nur Berlin hat in diesen Tagen seine Probleme mit Lichtspielen. Auch München plagt sich damit, zur Adventszeit ein besonderes Licht leuchten zu lassen.

Nicht nur Berlin hat in diesen Tagen seine Probleme mit Lichtspielen. Auch München plagt sich damit, zur Adventszeit ein besonderes Licht leuchten zu lassen. "Kunstlicht" nennen es die Initiatoren des Münchner Kulturreferats, von einem "Millenniumsprojekt" sprechen auch sie. Die Idee haben sie sich aus der oberitalienischen Stadt Turin geborgt, für ihre Umsetzung 100 000 Mark aus der Stadtkasse locker gemacht und dazu 1,3 Millionen Mark von Sponsoren ergattert. Irgendwie kokett, das Experiment, das bis Anfang Februar durchgeführt wird. Kunst gegen den vorweihnachtlichen Glitzerrummel? Soll sie ihn gar mit ihrer Magie überstrahlen und dem lichterflackernden Kaufwahn in den Läden der Innenstadt Einhalt gebieten? Oder sich erst in grauen Januartagen in ihrer ganzen Pracht entfalten, mit dramatischem Verzögerungseffekt? Wenn sie wenigstens leuchten würde, die Kunst, die da nun am Himmel über fünf feinen Einkaufsstraßen im Zentrum installiert wurde!

Doch ach, die in der Theatinerstraße aufgespannten Spruchbänder der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer hängen windzerzaust im Dunkel - aufgrund einer technischen Panne. Da der Schaden irreparabel bleibt, wird sich kein Flaneur an den Binsenwahrheiten der Künstlerin ergötzen können. Sätze wie "Lerne Deinen Augen trauen" oder "Loslassen ist oft am schwersten" müssen ungelesen bleiben. Auch die milde glimmenden Tierchen, die Kiki Smith, der andere Star aus den USA, über der Residenzstaße flattern läßt, erheitern nicht. Eule, Fledermaus und Eichhörnchen balancieren auf Seilen, aber ihr fotogenes Schillern haben sie vor Ort fast ganz verloren. Und der Neonstrahl des Düsseldorfers Mischa Kuball krümmt sich orangefarben die Dienerstraße entlang statt sie, wie geplant, pfeilgerade zu durchschneiden. Dann gibt es noch die gülden vor dem Dom schwebenden Büchersilhouetten aus Glühbirnen, eine Installation des Turiners Marco Gastini, angereichert mit bunten Worten. Zum Beispiel poesia, in rosarot. Design, ja. Oder Dekoration. Aber Kunst? Dieses Projekt ist gescheitert. Berlin kann dem Millenniumsende samt Lichterspektakel gelassen entgegensehen. Was strahlen und leuchten soll, glimmert nicht selten nur trüb vor sich hin. Von den Pannen zu schweigen.

Eva Karcher

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false