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Museum für DDR-Kunst: Für die Sofaecke-Ost

Aufklärung oder Ostalgie? Das private „Museum für DDR-Kunst“ zeigt allerlei zu recht und zu unrecht vergessene Werke.

Ach DDR. Auch bei dir gab’s Spargelzeit und Weihnachten. War ja nicht alles schlecht an dir, DDR! So spricht der Ostalgiker. Und meint – in der Regel – weder Totalitarismus noch Stasikeller, sondern sichtbare Oberflächen, Alltagsdinge, die man schön oder hässlich finden kann. Spreewaldgurken sind Geschmackssache, Plattenbauten oder Ölgemälde ebenso. Oder nicht? Malerei, die etwas auf sich hält, sollte allerdings abgeklopft werden auf künstlerische Qualität und ideologische Bezüge. Bei Letzterem wird’s kompliziert.

Daniel Helbig und Guido Sand haben es sich zunächst einfach gemacht. Sie haben sich über 160 Bilder und einige wenige Skulpturen aus dem Kunstarchiv im brandenburgischen Beeskow geliehen. Sie sind keine Kunstexperten, sondern ehemalige Artisten des DDR-Staatszirkus und leiten seit 2007 das DDR-Design-Hostel „Ostel“.

Jetzt haben Helbig und Sand auch noch ein „Museum für DDR-Kunst“ gegründet. Programm der Premierenausstellung „Volkseigentum“: „Wir als Laien greifen uns Bilder, die wir schön finden. Damit zeigen wir, wie in der DDR gelebt wurde.“ Punkt. Und Fragezeichen. „Volkseigentum“ hieß im real existierenden Sozialismus Staatseigentum. Entsprechend ist vorwiegend Auftragskunst zu sehen, einstmals vom Kulturfonds der DDR, von Ministerien, vom Bauernverband oder den Grenztruppen der Nationalen Volksarmee bezahlt. Das inhaltliche Spektrum reicht von klarer Propaganda über Schönfärberei bis zur verhaltenen Gesellschaftskritik. In den Achtzigern war sogar die instrumentalisierbar, denn „kritische Bilder“ verkauften sich gut in den Westen.

„Wir haben nichts zu verlieren“, sagen Helbig und Sand. Ihren Mut, vergessene und verdrängte Kunst zu präsentieren, kann man trotzdem bewundern. Die großen Museen machen um die offizielle Kunst der DDR einen Bogen. Die DDR-Abteilung der Weimarer Schau „Aufstieg und Fall der Moderne“ von 1999 zählt zu den Negativbeispielen bewusst schlechter Präsentation und unzulässigen Vergleichs mit NS-Kunst. Die Neue Nationalgalerie in Berlin konzentrierte sich 2003 auf Filetstücke der „Kunst in der DDR“ aus wichtigen Sammlungen und ließ Staatskunst weitgehend aus.

Im privat finanzierten DDR-Kunstmuseum wird nun ausgerechnet mit den offiziellen Schinken provoziert. Ein doppelter Honecker grüßt in der Eingangshalle: Einmal beim Handschlag mit Breschnew, 1977 von W. G. Sogomonjan gemalt, im anderen Fall Seite an Seite mit Gorbatschow. In der ersten Etage des ehemaligen Ostberliner Möbelhauses herrscht der Eindruck eines Kunst-Ausverkaufs auf gut 2000 Quadratmetern. Spitzenwerke wie Wolfgang Mattheuers „Autobahn bei Pirk“ (1960) oder Wolfgang Böttchers „Agrarflug“ (1982) sind rar. Die buchstäblich in letzter Sekunde als Kuratorin ins Boot geholte Kunstwissenschaftlerin Simone Tippach-Schneider hat die Gemäldezahl auf 140 Werke reduziert und damit immer noch zu viel ausgestellt.

Tippach-Schneider ist als freie Kuratorin auch für das in der mittelalterlichen Burg Beeskow untergebrachte Kunstarchiv tätig. Sie findet es selbst problematisch, dass nur ein Teil der „Volkseigentum“-Stücke mit erklärenden Schildern versehen werden konnte. „Ich hatte allerdings keine Alternative“, erklärt Tippach-Schneider, die sonst Laien die Präsentation hätte überlassen müssen.

Die reichlich hastigen Umstände der Ausstellungsgenese berühren den eigentlichen Skandal hinter dem Museumsprojekt. In einer Gemengelage aus Geld- und Personalmangel sowie organisatorischer Inkompetenz lässt sich das Kunstarchiv Beeskow offenbar auf Vabanquespiele ein. Gelagert wird dort Kunst aus dem Besitz der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Dass Interessenten sich ohne Fachreferenzen und ohne Ausstellungskonzept einfach „bedienen“ können, ist ein Unding. Helbig und Sand bestätigen diesen Usus, während beim Kunstarchiv niemand für eine Stellungnahme zu erreichen war.

Glück für die Beeskower: Die „Ostel“-Besitzer hatten wohl keine revanchistische Tendenzschau im Sinn. Das Engagement von Tippach-Schneider wurde vom Kunstarchiv zwar empfohlen, war aber keine Auflage. Auch der Kulturwissenschaftlerin hat das Kunstarchiv schon Kopfzerbrechen bereitet: Zumindest in der Vergangenheit wurden die Werke nicht sachgerecht behandelt. Auf ihren Vorschlag hin sei eine Restauratorin eingestellt worden. Mit gewisser Skepsis betrachtet Tippach-Schneider auch den Unternehmergeist von Helbig und Sand. Das „Museum für DDR-Kunst“ könnte irgendwann womöglich dem bloßen Kunsthandel dienen – falls den Initiatoren der Aufbau einer Sammlung gelänge. Für eine ernsthafte öffentliche Auseinandersetzung mit Ostkunst wäre dann nichts gewonnen. Bloß ein paar Ostalgiker hätten etwas für die Sofaecke.

Berlin-Mitte, Spandauer Straße 2 (ehemaliges Möbelhaus Zeutrie), täglich 10–22 Uhr, Eintritt 8, erm. 6 €.

Jens Hinrichsen

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