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Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wiedereröffnet. Die Installation "above-between-below" des US- Lichtkünstlers James Turrell in der Bremer Kunsthalle. Foto: dapd

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Museumserweiterung: Ein Zuhause für den Erfolg

Die von einem Berliner Architektentrio erweiterte Kunsthalle Bremen spiegelt den Bürgerstolz der Stadt. Nun wird sie neu eröffnet

In Bremen schimpft man nicht allein über den verregneten Sommer, sondern auch über die beiden letzten bitterkalten Winter. Die hätten der Hansestadt die Wiedereröffnung der Kunsthalle nach über zwei Jahren Sanierung fast verhagelt. Eigentlich sollte die Übergabe des um zwei Seitenflügel erweiterten Museums auf den 50. Jahrestag der Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg fallen, vor allem aber im Budgetrahmen bleiben. Die Minustemperaturen haben beidem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Egal. Bremen feiert an diesem Wochenende trotzdem seine Eröffnung unter dem Motto „Aufgeschlossen!“.

Zu sehen ist nur der reine Bau, ohne die Kunst, die erst kommt, wenn die Wände ausgetrocknet sind und das Raumklima stimmt. Das Berliner Architektentrio Hufnagel Pütz Rafaelian freut dies umso mehr, denn so steht allein ihr Werk im Mittelpunkt. Die rund acht Millionen Mehrkosten stemmt einstweilen der Kunstverein als Träger des Museums, neben Bund und Land ohnehin mit einem Drittel in Höhe von 10 Millionen Euro beteiligt.

Trotzdem ist die Kunsthalle Bremen ein Erfolgsmodell. Vor bald 200 Jahren gründete sich der Kunstverein als einer der ältesten in Deutschland. 1849 entstand der klassizistische Bau in den ehemaligen Wallanlagen, die heute ein grünes Band um die Innenstadt bilden – „Den bildenden Künsten geweiht“, wie noch heute in großen Lettern im Architrav zu lesen ist. Über die Jahre legten sich die bildungsbeflissenen Kaufleute der Stadt eine Sammlung vom Feinsten an: 2000 Gemälde und Skulpturen von der Renaissance bis zur Gegenwart, 230 000 Arbeiten auf Papier. Die Kollektion verkörpert den ganzen Bürgerstolz, ihr prachtvolles Gehäuse ist ein sichtbares Zeichen dafür.

Das gilt auch über 150 Jahre später. Hufnagel Pütz Rafaelian trafen mit ihrem Entwurf den Nerv der Hanseaten: eine anschmiegsame Erweiterung, die den Altbau wie eine Schmuckfassung einrahmt, modern und trotzdem den Respekt vor der Tradition wahrend. Bremisch eben. Die Hingabe geht so weit, dass die Architekten die ursprünglichen Absichten des Baus wieder an die Oberfläche holten: das bei der letzten Sanierung 1996 kühn in den Mitteltrakt geschnittene Oval, das alle drei Geschosse verband, wurde wieder geschlossen. Mit der strengen Symmetrie des Gebäudes vertrug sich diese barocke Formsprache nach Meinung der Architekten nicht. Stattdessen gibt es nun rechts und links Treppenhäuser und im Entree einen weiteren riesigen Saal.

Insgesamt erweitert sich die Fläche für Sammlung und Ausstellungen um ein Viertel auf 4000 Quadratmeter. Vor allem wurden Klima- und Sicherheitstechnik auf den neuesten Stand gebracht. Die schweren Mängel nach der halbherzigen Erneuerung Mitte der neunziger Jahre waren der Grund für die Sanierung. Unter Wulf Herzogenrath, der sich mit der Neueröffnung als letzte Großtat nächsten Monat in den Ruhestand verabschiedet, hatte sich das Museum an den großen Ausstellungsbetrieb angedockt: „Van Gogh – Felder“, „Monet und Camille“, „Paula und Paris“ lockten bis zu 300 000 Besucher. Nur hatten die Leihgeber dringend internationale Standards angemahnt. Für die in den nächsten Wochen in ihr Stammhaus zurückkehrenden Werke, vor allem die große Munch-Ausstellung ab Mitte Oktober, sind sie nun gewährleistet. Christoph Grunenberg, der ab 1. November als Nachfolger von Herzogenrath von der Tate Liverpool nach Bremen kommt, wird ein wohl bestelltes Haus vorfinden.

Mag sein, dass dem neuen Direktor manches wie ein Kuckucksei vorkommt, etwa die dauerhafte Installation von James Turrell, die sich als Reminiszenz an das geschlossene Oval an zentraler Stelle nun en miniature in einem eigens abgegrenzten Raum wiederholt. Auf seinem Grund ist eine Nachbildung des Sternbilds über Neuseeland zu sehen, in seiner Höhe der Himmel von Bremen, dazwischen strahlen in den aufgeschnittenen Deckenrändern mal Rot, mal Blau aufscheinende Lichtbänder, welche die gesamte Achse in wechselnde Farben taucht. Teurer Schnickschnack, der die Kunsthalle im Universum verorten soll.

Ein ähnlicher Gimmick ist das Loch von Wolfgang Hainke in einer Museumswand, in die jeder Besucher über alle Stockwerke des Hauses hinweg Erinnerungsstücke werfen darf. Die anarchische Idee hat historische Vorläufer, die geniza in Synagogen, die ebenfalls zum Aufbewahrungsort von Dokumenten wurden. Doch die Spielereien tun dem strengen Bau gut, ebenso die zur Belebung der ansonsten leeren Räume eingerichteten Videokunst-Installationen von Pipilotti Rist und Björn Melhus. Hufnagel Pütz Rafaelian sind Zuchtmeister der geraden Linie, der perfekten Materialien. Das Trio, von dem auch das Museum der Bildenden Künste in Leipzig stammt, ist fantastisch in seinen Details. Mit Leidenschaft hat es im Inneren die gegenseitige Bezugnahme von Alt- und Neubau betrieben, der üppigen Schatztruhe, als die sich das Stammhaus außen präsentiert, und den nüchternen kubischen Erweiterungsbauten rechts und links, die mit hellem Betonwerkstein ummantelt sind.

Während im Mitteltrakt dunkle Räuchereiche den Boden und die Türlaibungen prägt, sind es in den Anbauten helle Eichenholzdielen. Die einstigen Außenmauern zu den Seitenflügeln hin wurden mit ihrem historischen Gesims und dem Figurenschmuck aus Sandstein bewahrt und bilden nun die Innenwände des Neubaus. Das legendäre Kupferstichkabinett mit seinem Jugendstildekor erhielt einen zweiten Saal hinzu, der bewusst auf alle Schnörkel verzichtet und doch ehrerbietig die Dimensionen des alten aufnimmt.

Die Architekten haben sich damit in den Dienst der Sache gestellt, sie bieten der Kunst einen perfekten Rahmen. Die Bescheidenheit wird sich am Ende auszahlen, wenn die Kunst noch prachtvoller dasteht. Bremens Bürgern müsste diese Strategie gefallen.

Kunsthalle Bremen, am Eröffnungswochenende Sa, 20.8. u. So, 21.8., 10 - 20 Uhr, sonst Di bis So 10 -18 Uhr.

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