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Unter Platanen. Brunnen, Bänke, Bäume, vereint zum Idyll auf der Insel.

© Günter Peters

Museumsinsel: Arkadisch sei die Mitte von Berlin

Zehn Jahre Weltkulturerbe: Auf der Museumsinsel ist der Kolonnadenhof wiederhergestellt, eine wundervoll schlichte Oase.

Bei allem Disput und nun dem Debakel um das geplante Humboldt-Forum im Schloss ist das real existierende Pendant, die Museumsinsel mit ihren Sammlungen europäischer und vorderasiatischer Kunst bisweilen in den Schatten geraten. Gestern indessen herrschte hier hellster Sonnenschein – nicht nur am Firmament. Es galt, die Eröffnung oder besser Wiedergewinnung des Kolonnadenhofes zu feiern, des Freiraumes zwischen den Museumsbauten, der durch besagte Kolonnaden umschlossen wird. Anlass war der Welterbetag, der an die Unesco-Liste des Welterbes der Menschheit erinnert, und auf dieser ist die Museumsinsel seit 1999 verzeichnet. Vor zehn Jahren wurde die entsprechende Urkunde feierlich an Berlin überreicht. Daran wurde nun in der Rotunde des Alten Museums erinnert. Das Schinkel-Bauwerk harrt noch der Grundsanierung, doch immerhin die Rotunde ist kürzlich behutsam, merklich-unmerklich restauriert worden.

Die Museumsinsel ist ausdrücklich „als ein einzigartiges Ensemble von Museumsgebäuden“ einschließlich der „aus dem Geist der Aufklärung“ gewachsenen Sammlungsbestandteile beschrieben. „Das gehört alles zusammen, das ist sozusagen ein Gesamtkunstwerk“, unterstreicht denn auch Michael Petzet, der als Vorsitzender der deutschen IcomosSektion als der offiziellen Weltkulturerbe-Beratung stets ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat. „Interessant wäre, wenn jemand den Pergamon-Altar zurückfordern würde.“ Noch interessanter wäre gewesen, eine klare Aussage Petzets zu der medial ungeheuer verstärkten, jedoch offiziell nie beantragten Übersiedelung Nofretetes nach Ägypten zu hören.

Nein, der Festakt bleibt im vorgegebenen Rahmen, auch Dresden – der große Sündenfall, der wegen Missachtung der verpflichtenden Schutzaufgabe von der Unesco-Liste gestrichenen Welterbestätte – bleibt unerwähnt. Erst recht lässt Walter Hirche, Präsident der Deutschen Unesco-Kommission seit immerhin 2002 und früherer FDP-Landesminister, alle kontroversen Fragen unerwähnt gelassen, von Beantwortung ganz zu schweigen. So strebt jedermann erleichtert ins Freie und zu den Kolonnaden.

Was für ein herrlicher Raum! Besser: Räume! Sei es der Raum unter den Kolonnaden entlang der Spree, sei es unter ihnen entlang zum Neuen Museum, sei es die begrünte und gepflasterte Freifläche rings um die Alte Nationalgalerie, die nun endlich, ihrem Begründer König Friedrich Wilhelm IV. gemäß, sich wie ein antiker Tempel aus der respektvoll umgebenden Stoa erhebt. „Arkadischen Charakter“ und „bezaubernde Schönheit“ bescheinigt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem jüngsten Zuwachs des Ensembles, das schon einmal vor 130 Jahren, am 31. Mai 1880, der Museumsverwaltung übergeben worden war.

Schon damals lag eine zwanzigjährige Zwischenzeit zurück. Denn der erste Abschnitt der Kolonnaden entlang der (heutigen) Bodestraße war nach den Plänen von Friedrich August Stüler, dem Erbauer des Neuen Museums, bereits 1860 fertiggestellt worden. Die Fortsetzung entlang der Spree erfolgte erst nach dem Bau der (Alten) Nationalgalerie Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, und zwar „im Halbrund die Apsis der Alten Nationalgalerie umlaufend, bis zum Neuen Museum“, wie es in der Baubeschreibung der Staatlichen Museen heißt. Da fehlt denn doch noch ein Stück, stutzt der Festakt-Besucher, denn wo die Rundung der Kolonnadenreihe beginnt, endet auch der „wunderbare öffentliche Raum“, den Parzinger seinen Hörern ausgemalt hat. Stattdessen: die altbekannten Werkstatteinbauten zwischen den Säulen, in ungefügem Ziegelmauerwerk mit geradezu demonstrativ unproportionierten Fensterlein.

Nichts wird so dauerhaft wie ein Provisorium; denn diese Einbauten datieren nicht erst aus den Zeiten der DDR – die freilich keinerlei Anstalten machte, sie je zu entfernen –, sondern gehen zurück auf die allererste Zweckentfremdung bereits 1908, als der Pergamonfries für die Bauzeit des gleichnamigen Riesenmuseums verstaut werden musste – die bekanntlich bis 1930 dauerte. Warum diese Einbauten jedoch noch immer nicht verschwunden sind, nach gegenwärtiger Planung vielmehr bis zum Jahr 2025 (!) bestehen bleiben sollen, ist ein Rätsel. Es kann doch nur eines geben: jetzt weiterbauen, mit dem Sachverstand, der bei der bisherigen – überall sichtbar belassenen, doch nirgends aufdringlichen – Sanierungsarbeit durch David Chipperfield Architekten gewonnen wurde.

Die Freiraumgestaltung durch das Berliner Büro Levin Monsigny Landschaftsarchitekten ist in ihrer zugleich anmutigen wie nutzungsfreundlichen Haltung ein wahres Glück. Der vierpassförmige Brunnen vor der Nationalgalerie wird von halbrunden Bänken flankiert, mit unscheinbar integrierten Müllbehältern. Die Begrenzungssteine der Buchsbaumrabatten bergen entlang der Hauptwege flache Lichtleisten. Wenige, naturgemäß noch unscheinbare Platanen wurden hinzugefügt, die es dermaleinst den Baumkronen vor dem Kunsttempel gleichtun sollen. Kleinteiliges Pflaster und großformatige Platten auf den Wegen, mehr nicht. Auf mächtigen Sockeln stehen wieder Skulpturen, so Ferdinand Lepckes „Bogenspannerin“ von 1906. Das alles zusammen ist Erbe, lebendiges Erbe, ein Gruß des späten 19. Jahrhunderts in der Formensprache der Gegenwart. Was für ein sonniger Sonntagvormittag, noch unbeschwert von den Gerüchten um das bei der Sparklausur des Bundes kassierte Schloss!

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