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Die Renaissance im Taschenformat. Durch das Jahr 2018 mit Antonio del Pollaiuolos Damenbildnis (ca. 1460–65) aus der Berliner Gemäldegalerie. Das Motiv gibt es im Museumsshop des Kulturforums auch als Kühlschrankmagnet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Museumsshops und die Kunst: Botticelli in Badelatschen

Museumsshops sind Werbung für die Kunst. Und ein blühendes Geschäft. Sie zeigen auch, wie sich das Publikum verändert.

Die britische Touristin fährt mit den Fingern über das Gesicht von Nofretete, fühlt die kaputten, rauen Stellen am Kopf der Königin und überlegt, die Statue mitzunehmen. In ihrer Tasche steckt bereits ein Bild von Antonio del Pollaiuolo, das Profilbildnis einer jungen Frau von 1465. Die Museumsbesucherin entscheidet sich am Ende gegen die Statue und kauft stattdessen eine Schlafmaske, bedruckt mit den Augen der Nofretete. Diese kostet 9,95 Euro und ist „ein Renner“, sagt Christian Posthofen, Geschäftsführer der Walther König Buchhandlung.

König betreibt seit 2013 als einziger Pächter die Museumsshops der Staatlichen Museen und ist zugleich für die Entwicklung der Merchandise-Artikel zuständig. Begehrt sind vor allem Kühlschrankmagneten und Postkarten. Doch ist es für ein Museum wirklich erstrebenswert, die Werke großer Meister auf Magneten zu drucken, die dann den Einkaufszettel am Küchenschrank befestigen? Die Kunst wird dadurch im Alltag zwar präsenter, aber die Gefahr besteht, dass der Kommerz dominiert, die Kunst trivialisiert wird.

Elf Shops gibt es zurzeit bei Staatlichen Museen. Auch die Landesmuseen führen eigene Läden. In den letzten Jahre sind die Flächen immer weiter gewachsen, viele der Räumlichkeiten wurden umgestaltet, neue kamen hinzu, zum Beispiel im Kulturforum. Der Shop in der großen Eingangshalle erinnert eher an einen Designladen in Mitte, mit Schmuck in Glasvitrinen und durchgestylten Küchenutensilien. So mancher Käufer von Weihnachtsgeschenken deckt sich gegenwärtig hier ein.

Heute sind die Shops aus den Museen nicht mehr wegzudenken

Wie wäre es mit einem Eierkocher im Bauhaus-Design aus der Edition von Wilhelm Wagenfeld von 1933/34? Oder einer klassischen Porzellan-Vase von KPM? In den Museumsshops gibt es sogar Stammkunden. In zwei Jahren kommt ein weiterer Laden in der James-Simon-Galerie, dem künftigen Eingangsgebäude der Museumsinsel, hinzu. Mit 350 Quadratmetern wäre es dann der größte Deutschlands. „Das kommt an den Museumsshop im Louvre heran“, erklärt Posthofen mit einem gewissen Stolz.

Im Pariser Mega-Museum gibt es seit 1993 das „Carrousel du Louvre“, eine regelrechte Einkaufsmeile mit weiteren Geschäften und Restaurants. Lacoste, Starbucks, Apple und McDonalds sind hier vertreten, 34 Boutiquen und elf Restaurants insgesamt. In Frankreich kennt man weniger Berührungsängste. Die Handelsketten in den heiligen Hallen der Kunst versorgen die Millionen Touristen, die sich jedes Jahr durch das Museum schieben, mit Fast Food und Designprodukten.

So ausgeprägt ist die Shopping-Kultur in den Berliner Museen zwar noch nicht. Für die Zukunft stellt sich jedoch die Frage: Ist eine Rundum-Versorgung nun pragmatisch oder unangebracht? Ein Besuch im Louvre kann tagesfüllend sein. Da scheint es logisch, Stärkung anzubieten. Und ist es nicht schön, den Daheimgebliebenen eine Tasse mit der Mona Lisa mitzubringen?

Eigentlich soll das Museum doch bilden und bewahren. Und nicht zum Konsum animieren. Diese Unvereinbarkeit ist eine Generationenfrage, glaubt Sigrid Wollmeiner, Referatsleiterin der Abteilung für Publikation und Merchandising bei den Staatlichen Museen. Jüngere Kollegen gehen damit gelassener um als die älteren, sagt sie. Auch wenn es hier die Ausmaße wie im Louvre nicht gibt, hat sich in den letzten Jahren das Museumsmarketing zunehmend professionalisiert: Mittlerweile gibt es eine eigene Abteilung dafür, regelmäßige Treffen zwischen den Kuratoren der Sammlungen und Verkaufsleitern der Shops. Bei Neubauten und Umgestaltung wird darauf geachtet, dass die Läden separat zugänglich sind, um auch für jene attraktiv zu sein, die nur nach Geschenken suchen.

Heute sind die Shops aus den Museen nicht mehr wegzudenken. „Die Menschen wollen nach ihrem Besuch gerne Andenken mitnehmen“, sagt Wollmeiner. Das traditionelle Geschäft mit Büchern und Katalogen dagegen hat abgenommen. Wurden früher pro Ausstellung rund 10 000 Exemplare verkauft, sind es heute nur die Hälfte. Bücher über 30 Euro bleiben meist liegen. Trotzdem steigt der Umsatz in den Läden. Die Besucher kaufen immer mehr Merchandise-Artikel.

Daran orientiert sich auch das Angebot. Die Walther König Buchhandlung plant für das Pergamonmuseum gerade Mousepads mit Motiven aus der Teppich-Sammlung des Museums für Islamische Kunst. Dafür geht einer seiner Mitarbeiter mit den Wissenschaftlern durch die Hallen und überlegt, welche Motive gut umzusetzen sind, erklärt Posthofen. Wichtig ist ein Sammlungsbezug der Souvenirs. Vor einigen Jahren wurden im Bode-Museum noch Repliken von Objekten angeboten, die auf der Museumsinsel gar nicht zu finden sind, sondern dem Louvre gehören. Das wirkte unseriös, zu sehr nach Geldmacherei.

Stattdessen gibt es im Shop des Pergamonmuseums nun als Stofftier den Löwen von der Prozessionsstraße Babylons, den die Besucher zuvor noch im Museum bewundern konnten. Er heißt „Labbu“, so hießen die Tiere im Alten Orient, und kostet 99 Euro. Für die Erwachsenen gibt es das Espresso-Set Iznik, dessen Tassen das Muster der osmanischen Fliesen aus der türkischen Stadt ziert, die Teil der Sammlung sind. Hier im Pergamon-Museum macht die Buchhandlung König den größten Umsatz, sagt Posthofen. Genaue Umsatzzahlen nennt er nicht, nur soviel: Die Shops helfen, den Bestand der Buchhandelskette außerhalb der Museen zu sichern. Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nennt keine Zahlen. Haupteinnahmequelle aber bleiben weiterhin die Ticketverkäufe.

Anders als in Deutschland sind in Großbritannien und den USA der Verkauf von Souvenirs und Modeartikeln sowie die Verdienste aus der Gastronomie wichtiger. Die Tate Modern in London oder das Museum of Modern Art in New York generieren neben dem Ticketverkauf damit über die Hälfte ihrer Einnahmen. Doch die Vermarktung von Ausstellungen nimmt auch in Berlin zu. Immer häufiger gibt es Pop-up-Stores zu aktuellen Ausstellungen und limitierte Editionen von Nachbildungen. Ergänzend zur Ausstellung „Gesichter Chinas“ (bis 7. Januar) bietet der Shop im Kulturforum auf Stoff gemalte Porträts, die als Original an den Museumswänden hängen.

Das Internet bringt auch eine andere Mentalität in die Museen

Es geht darum, auf diese Weise „die Werke in die Welt zu tragen“, so Wollmeiner. Der Museumsshop stellt hier die Schnittstelle dar. Hier rückt die Kunst näher an den Betrachter ran, darf er sie anfassen, zumindest als Nachbildung mit nach Hause nehmen – ob als Schlüsselanhänger oder eine Nachbildung der Nofretete für mehrere Hundert Euro. Diese Absenkung des Podests, auf dem die Kunst normalerweise steht, hat mit der Popularisierung der Kultur, einem diverser werdenden Publikum und der Digitalisierung zu tun.

Kultur hat sich demokratisiert. So die Schlussfolgerung der in der US-Studie „Culture Track 2017“. Mehr als 80 Prozent der über 4000 Befragten gaben an, an Kultur vor allem Spaß haben zu wollen. „Die Menschen nutzen heute Museen anders als früher“, weiß auch Wollmeiner. Kunst solle nicht einschüchtern, sondern Freude machen, ein Erlebnis sein. Der Museumsbesuch wird häufig als Event zelebriert, inklusive schicker Instagram-Bilder, Souvenirs und mindestens einem Cappuccino danach.

Außerdem hat sich das Profil der Besucher verändert, stellen die Mitarbeiter des Museumsshops im Hamburger Bahnhof fest. Längst geht nicht mehr nur die Oberschicht ins Museum, trifft sich hier das Bildungsbürgertum, sondern kommt ein gemischtes Publikum. Durch die verbesserten Reisemöglichkeiten ist der Anteil an Touristen enorm gestiegen, für junge Leute ist es hip, in den Hamburger Bahnhof zu gehen. Hinzu kommen die Schulklassen, um Familien mit Kindern wird geworben.

Der Zugang zu Kunst hat sich durch das Internet gewandelt. Menschen bewerten Einrichtungen mit einem Klick, Touristen können sich über kulturelle Sehenswürdigkeiten auch ohne Vorkenntnisse leichter informieren. Die Staatlichen Museen posten Videos und Bilder auf Instagram und Facebook, schicken Ausstellungseinladungen über die sozialen Netzwerke. „Dadurch erreichen wir ein jüngeres Publikum“, erklärt Wollmeiner.

Das Internet bringt allerdings nicht nur eine andere Klientel, sondern auch eine andere Mentalität in die Museen. Auf Facebook, in Foren oder via Twitter kann jeder seinen Kommentar zu Prominenten, Politikern oder auch Kunst abgeben, anstatt nur Infotafeln zu lesen. Der Diskurs wird dadurch barrierefrei. Damit steigt auch das Bedürfnis, etwas anfassen und mitnehmen zu dürfen, zu interagieren mit den Werken, die man zuvor bestaunt hat. Dass man Badelatschen mit dem Motiv der Venus von Botticelli für 12,90 Euro kaufen kann, kann man als respektlos oder lächerlich betrachten. Oder als Öffnung der Kunst, als einen Akt der Entstaubung.

Das funktioniert allerdings nur glaubhaft, erklärt die Merchandising-Frau der Staatlichen Museen, wenn die Darstellung akkurat ist, um die Integrität der Kunstwerke nicht zu verletzen. „Unsere Wissenschaftler arbeiten mit den Shops eng zusammen und achten darauf, dass Darstellung und Farben stimmen“, sagt Sigrid Wollmeiner. Eine kunsthistorische Einordnung der Produkte wird jeweils mitgeliefert. Erst kommt die Kunst, dann der Kommerz.

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