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Kultur: Musik-Biennale: So licht

Von dem Betrieb der Neuen Musik, der mit seinen Verlagsinteressen, Festivals und Kompositionsaufträgen den gewöhnlichen Gesetzen des Marktes weniger fern ist als man so gerne glauben machen will, hat sich Klaus Huber eine bemerkenswerte Unabhängigkeit bewahrt. Seinen Themen nähert er sich mit der Strenge und Unerbittlichkeit einer großen Künstlerpersönlichkeit.

Von dem Betrieb der Neuen Musik, der mit seinen Verlagsinteressen, Festivals und Kompositionsaufträgen den gewöhnlichen Gesetzen des Marktes weniger fern ist als man so gerne glauben machen will, hat sich Klaus Huber eine bemerkenswerte Unabhängigkeit bewahrt. Seinen Themen nähert er sich mit der Strenge und Unerbittlichkeit einer großen Künstlerpersönlichkeit.

Die beiden kurzen Vokalwerke, die der Rundfunkchor Berlin unter der Leitung von Robin Gritton im Rahmen der Musik-Biennale im Konzerthaus zur Uraufführung brachte, legen davon Zeugnis ab. Sie sind Hubers für November in Basel angekündigtem Bühnenwerk (so die Bezeichnung des skrupulösen Komponisten) "Schwarzerde" nach Texten von Ossip Mandelstam entlehnt und mögen sich in ihrer semantischen Vielschichtigkeit erst aus der Kenntnis des Ganzen erschließen.

Die zehn Minuten von "Auf der Welt sein - im Licht sein" bewegen sich in tastender, sechsstimmiger Sprachpolyphonie durch ein Fragment von Max Frisch. Großintervallige Dissonanzen, weite Sprünge zwischen den Liegetönen der Einzelstimmen und rhythmisch unvorhersehbare Einsätze erzeugen einen vom Rundfunkchor mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit umgesetzten Schwebezustand, in den sich mit dem ersten Auftreten der Todessymbolik äußerst leise Schlagzeugimpulse mischen. Das Standhalten, mit dem Frisch Ewigkeit verbindet, übersetzt Huber in das Beharren auf wenigen Rezitationstönen, die, in den Frauenstimmen in langer Fermate ausgehalten, zum zweiten Teil "Svet - man kann nicht atmen" nach Mandelstam überleiten. Hier nun scheint die Sprache eigentümlich verstummt, nicht aber die Stimme. Von farbigen Wirbeln der drei Perkussionisten getragen, wird der russische Text, durch den lange noch Frischs Lichtmetapher geistert, mehr und mehr von gesprochenen Silben und Wörtern durchsetzt. An Ende bleiben die sechs Solisten allein, wenn sie mit sperriger Sprechstimme den beklemmenden Text artikulieren. Ein plötzlicher Peitschenschlag schließlich ist Schock und Erlösung vom quälenden Ersticken zugleich.

Das folgende, kaum vierminütige "Ja, ich liege in der Erde - Tenebrae" für Chor und sechs Einzelstimmen erscheint als spontane Dreingabe, als schmerzlich melodischer Reflex auf den Tod des Komponistenkollegen Iannis Xenakis. Die "gesualdissimo" überschriebene Innigkeit in Moll befremdet in ihrer Einfachheit, verweigert sich aber in ihrer Konsequenz dem vorschnellen Urteil.

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