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Kultur: Musik für Maschinisten

Zukunft als Segen: Die Foals feiern auf ihrem Album „Total Life Forever“ den Fortschritt

Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Statt der Apokalypse wird sie das Paradies bringen. Ein ewiges Paradies, für jeden und völlig kostenlos. „The future is not what it used to be“ singen die Foals. Sie trösten uns: „Forget the horror here.“ Und versprechen: „Singularity is here to stay, for you and me.“ Vergesst den Horror, es wird etwas entstehen, das einzigartig und wunderbar ist. Dazu dengeln afrikanisch anmutende Highlife-Gitarren, wie sie vor einem Vierteljahrhundert schon Paul Simon und die Talking Heads benutzten. Synthesizer rattern und fiepen wie die außer Kontrolle geratenen Bordcomputer eines Raumschiffes. Schlagzeug und Bass halten stoisch ihren Takt. Euphorie zum Mittanzen.

„Total Life Forever“, das gerade erschienene neue Album der Band aus Oxford, feiert den Fortschritt mit großem Getöse. Der Titel geht auf den Informatiker und Erfinder Raymond Kurzweil zurück, der in den siebziger Jahren eine Lesemaschine für den blinden Musiker Stevie Wonder konstruierte und heute Bestseller über den Segen der Künstlichen Intelligenz veröffentlicht. Als die Foals die Texte für die Platte schrieben, hatten sie gerade sein Buch „The Singularity“ gelesen, in dem Kurzweil den „postbiologischen Menschen“ als Mischwesen aus Natur und Technik beschreibt.

Die Foals, fünf abgebrochene Studenten von Anfang, Mitte zwanzig, tun alles, um ihrem Ruf als Nerds gerecht zu bleiben. Ihre Musik wird dem „Math Rock“ zugerechnet, weil sie sich neben Einflüssen aus Afrobeat, Synthiepop und Krautrock auch auf Minimal Music und Techno bezieht, also auf rhythmusbetonte, quasi mathematisierbare Stile. Das Debütalbum „Antidotes“, das Anfang 2008 herauskam, klang versponnen und trotzdem ungemein kraftvoll. Disco für Nerds. „Mich interessiert es nicht, noch mal die gleiche Platte zu machen, das ist etwas für Langweiler“, sagt Sänger und Leadgitarrist Yannis Philippakis. Deshalb haben die Foals sich bei „Total Life Forever“ für einen anderen Weg entschieden: weg vom Komplexen und weg auch vom Dancefloor, hin zu elegisch dahinfließenden, verschiedenartigste Sounds fusionierenden Stücken.

Das gewaltigste Epos der Platte, die siebenminütige Ballade „Spanish Sahara“, beginnt mit Gesängen über einsame Wüsten und hartnäckige Geister und schlägt dann um in ein Krachgewitter aus Gitarren und Synthesizern. Das kürzeste Stück, das vierzigsekündige Klavierstück „Fugue,“ könnte auch eine Fingerübung von Brian Eno sein. Und die Midtemponummer „Alabaster“ vereinigt zackiges New-Wave-Getrommel wie von Duran Duran mit entrückter Elektronik. Treibende Kraft dieser Musik sind die Stakkato-Gitarren, der sanfte, oft mit Hall unterlegte Gesang von Philippakis erinnert an Coldplay-Sänger Chris Martin. Die Rohversionen der Songs entstanden in einer Duschecke, die zur Gesangskabine umgewandelt wurde. Die Foals könnten für die zehner Jahre werden, was Coldplay für die nuller und U2 und REM für die achtziger und neunziger Jahre waren: Stadionrocker, die aus der Indie-Nische kamen.

„Total Life Forever“ ist bei Warner erschienen.

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