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Kultur: MUSIK IN BERLIN-Beethoven ganz nah

Obwohl Barenboim in den Staatskapellenkonzerten gern sein eigener Solist ist, gibt er manchmal auch anderen eine Chance.Dann geigt eben auch mal einer.

Obwohl Barenboim in den Staatskapellenkonzerten gern sein eigener Solist ist, gibt er manchmal auch anderen eine Chance.Dann geigt eben auch mal einer.Diesmal der junge Superstar Maxim Vengerov.Fast eine kleine Sensation, daß der in aller Welt mit Bruch, Sibelius, Mendelssohn, Tschaikowsky oder Prokofjew als Wundergeiger gefeierte Vengerov das Beethoven-Konzert, wie im Staatsopernjournal zu lesen, erstmals spielte! Und er spielte das klassischste aller Violinkonzerte gleich so traumhaft schön, so ätherisch rein, so grenzenlos kühn und kapriziös im Rondo-Finale, daß man meinte, es auch selbst zum ersten Mal zu hören.

Bei dem 25jährigen Weltklassegeiger, der aus dem fernen Nowosibirsk stammt, fühlt man sich - und das ist der entscheidende Eindruck - Beethoven trotz aller genialischen Eigensinnigkeit näher als bei anderen hochgehandelten Virtuosen.Das schwerelos dahinschwebende Larghetto kommt bei Maxim Vengerov unerhört leise und spannungsvoll zugleich daher, sehnsuchtsvoll fragend, bisweilen nur noch geheimnisvoll geflüstert und gerade deshalb so fesselnd.Durch einen himmelblauen Klangzauber allein, den er auf seiner Stradivari allenthalben herbeigeigen kann, wird man dabei wahrlich nicht in den Bann gezogen.Da wagte man kaum zu atmen, schien die Zeit stillzustehen, schien Beethovens Musik aus einer anderen Welt zu kommen.Und dennoch ist Vengerov keinesfalls nur ein geigender Engel mit einer Vorliebe für unendlich sensibilisierende, stille, nachgerade tonlos verhauchende Töne.Auch wenn er im ersten Satz seine federleichten, filigranen Klanggirlanden himmelhochjauchzend aufsteigen ließ.Aber denen setzte er sogleich mit verzehrender Leidenschaft nach und brachte die Geige mit glühender Intensität zum Singen, zum Sprechen und immer wieder zum faszinierend leisen Verhallen.Im Schlußsatz entpuppte er sich als wahrer Hexenmeister mit viel Spaß an fast schon etwas grotesker Artistik, an geigerischer Exzentrik, geistvoll witzigen Pointen und immer wieder gespenstisch stillen, fast schon leblos wirkenden Posen.Aber selbst die blieben nicht ohne Nachhall, zumal die Abstimmung zwischen Vengerov, Barenboim und der Staatskapelle exzellent war.

Mit gehöriger Exaktheit präsentierte danach Berlins Staatskapelle Strawinkys einstigen Schocker "Le sacre du printemps" im Schauspielhaus.Das Kultstück mit der heftigen Explosion des Rhythmus, den vulkanischen Orchesterstürmen dirigierte Daniel Barenboim bemerkenswert ruhig, korrekt und klar aus der schnell noch herbeigeschafften Partitur.Allerdings auf die Dauer auch ziemlich zugeknöpft und lustlos und mit einem glatt verschenkten Schluß.Also ohne die geistsprühenden Finessen, ohne die Klangmagie, mit der Vengerov bei Beethoven in Atem hielt.Das war wieder einmal nur Edelroutine.

ECKART SCHWINGER

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