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Kultur: Musik In Berlin: Giganten

Der Senior der Berliner Dirigenten, Kurt Sanderling, zog sein Publikum wieder in Scharen ins Konzerthaus und wurde am Ende mit Beifall überschüttet. Mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielte er die Dritte von Bruckner in der Fassung von 1889 mit aufwühlender Elementarkraft und einer außergewöhnlichen Ursprünglichkeit.

Der Senior der Berliner Dirigenten, Kurt Sanderling, zog sein Publikum wieder in Scharen ins Konzerthaus und wurde am Ende mit Beifall überschüttet. Mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielte er die Dritte von Bruckner in der Fassung von 1889 mit aufwühlender Elementarkraft und einer außergewöhnlichen Ursprünglichkeit. Die kantige architektonische Prägnanz war ganz nach Art alter, großer Bruckner-Deutungen. Da waren nicht nur heiliger Ernst, sondern auch heftige Leidenschaft im Spiel. Im ersten Satz ließ er die Solotrompete leise, aber stolz das Signal für den weitausgreifenden sinfonischen Prozess setzen. Die Ecksätze ging er ausgesprochen trotzig an, so dass es oft gehörig knisterte. Beim Scherzo spürte man auch etwas vom Biss und Sarkasmus des passionierten Schostakowitsch-Dirigenten. Dass bei diesem entmythologisierten, bisweilen dramatisch hochgezogenen, bisweilen wildgezackten Bruckner anrührende Momente keineswegs fehlten, unterstrich nicht nur das schmerzlich schön ausgeleuchtete Adagio, bei dem Sanderling so ergreifende wie geheimnisvolle Klangzeichen setzte. Bei den hauchzarten, hintersinnigen Schattierungen lief einem schon mal ein Schauer über den Rücken.

Auch das Finale mit dem berühmten, doppelsinnigen Thema, das Lebensfreude und Tod zugleich widerspiegelt, hatte es in sich. Sanderling dirigierte es ausgesprochen sinnenfroh, ungleich lebensvoller als bei früheren Aufführungen. Ein bewegendes "und dennoch" kam immerzu herüber. Das RSB zeigte sich als reaktionsschnelles Spitzenorchester, das mit Klangschönheit, Transparenz und nicht nachlassender Kondition musizierte. Dass letzte, schallplattenreife Klangbalance in diesem Saal schwierig ist, zumal, wenn ein nun schon fast legendärer Dirigent auch mal überraschend risikofreudig loslegt, sei nicht verschwiegen. Insgesamt aber war bei diesem Bruckner eine bewundernswerte Übereinstimmung von konstruktiver Klareit und inspirierender Intensität tonangebend. Die prägte auch das von Peter Rösel gespielte B-Dur-Klavierkonzert Beethovens. Bei allem Facettenreichtum zeigte Rösel nicht zuletzt im Finale, welch kauzige Züge in diesem frühen Beethoven stecken. Auch Sanderling und das Orchester gingen spiellaunig mit. Ein ereignisreicher Abend.

Eckart Schwinger

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