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Kultur: MUSIK IN BERLIN: Orchestrale Stelen

Bei musikalischen Mahnmalen ist das nicht anders als bei architektonischen: Man kann versuchen, das Unfaßbare ins Abstrakte zu überführen, durch Größe und Monumentalität die Tragweite des Geschehenen anzudeuten - oder aber man läßt sich auf eine ganz konkrete und dadurch vielleicht schmerzhaftere Begegnung mit individuellen Einzelschicksalen ein.Roger Epple wählte für die Aufführung von Benjamin Brittens "War Requiem" mit der Berliner Singakademie und dem Orchester des Opernhauses Halle die Stelen-Variante.

Bei musikalischen Mahnmalen ist das nicht anders als bei architektonischen: Man kann versuchen, das Unfaßbare ins Abstrakte zu überführen, durch Größe und Monumentalität die Tragweite des Geschehenen anzudeuten - oder aber man läßt sich auf eine ganz konkrete und dadurch vielleicht schmerzhaftere Begegnung mit individuellen Einzelschicksalen ein.Roger Epple wählte für die Aufführung von Benjamin Brittens "War Requiem" mit der Berliner Singakademie und dem Orchester des Opernhauses Halle die Stelen-Variante.

Wie ein Meer altgriechischer Grabsäulen breitete er die 1962 in der neu errichteten Kathedrale von Coventry uraufgeführte Anti-Kriegs-Totenmesse im großen Schauspielhaus-Saal aus: Ernst und distanziert, fast durchgehend kalt im Klang, mit fahlen Grautönen als dominierender Farbe.Eine mögliche Interpretation, die von den Schrecken des Krieges im technischen Zeitalter berichtet - dabei jedoch die stets präsente Stimme des erklärten Pazifisten Benjamin Britten aus der Partitur verbannt, der ja nicht von ungefähr den traditionellen lateinischen Text mit hochemotionalen Versen von Wilfried Owen verwoben hat.In der ausgezählten Tonproduktion des Orchesters mit ihrer oft allzu glatten Oberfläche, im unkörperlichen Gesang der (stimmtechnisch souveränen) männlichen Solisten fehlte genau dieses Moment des persönlich Beteiligtseins, des Engagierten, ohne das die eigentliche Botschaft - Brittens Fanal wider die Unmenschlichkeit - die Zuhörer nicht erreicht, nicht unter die Haut geht.

Ein wenig davon war im Gesang der vor allem im Piano beeindruckend präzisen Berliner Singakademie zu spüren, deren Leiter Achim Zimmermann bei der Erarbeitung des äußerst anspruchsvollen Chorparts tiefer in die emotionalen Tiefenschichten des Werks vorgedrungen war, als der Dirigent es dann in der Aufführung zuließ.Welche Gefühlswelten hier tatsächlich unter der Oberfläche verborgen blieben, machten aber vor allem der ungefiltert inbrünstig singende Knabenchor Berlin und die opernhaft aufbrausende Sopranistin Eva Batori deutlich - sie blieben leider Fremdkörper in diesem Abend des abstrakten Erinnerns.

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