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Kultur: Musik in Berlin: Riech den Braten! Rundfunkchor Berlin und RSB präsentieren Bachs Johannespassion

Für einen Moment gab es keinen Zweifel. Genau so musste er klingen, der Eingangschor zu Johann Sebastian Bachs Johannespassion.

Für einen Moment gab es keinen Zweifel. Genau so musste er klingen, der Eingangschor zu Johann Sebastian Bachs Johannespassion. Groß und raumfüllend, die Sinne in eine Woge feiertäglicher Nostalgie tauchend wie der Duft eines krossen Sonntagsbratens. Mochten andere Ensembles mit schlankem kalorienarmem Originalklang werben: Wer sich mit Rundfunkchor und Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter den schweren Kronleuchtern des Schauspielhauses eingefunden hatte, wollte und durfte futtern wie bei Muttern. Legitim also, dass man sich über den rund und sauber singenden, den Klang jedes Vokals voll auskostenden Chor freute, dass man, statt auf Textverständlichkeit zu pochen, sich die präzise artikulierten "s"- und "t"-Laute als Orientierungspunkte im polyphonen Gewebe genügen liess. Und legitim auch, dass man die Leistung des gut aufgelegten Orchesters bejubelte. Dennoch: ein Ganzes wollte aus dem ohne Pause durchmusizierten Oratorium nicht werden.

Denn anders als die gewichtige Matthäuspassion kann die Chor-ärmere, leichter instrumentierte und im wortausdeutenden Detail vielleicht sogar bildhaftere Johannespassion bei zu großer Orientierung am Wohlklang leicht als die spröde kleine Schwester des berühmteren Mammutwerks wirken. Deshalb genügte es nicht, dass der Dirigent Stefan Parkman kleine Konzessionen an die "historisch informierte" Spieltechnik gemacht, auf Mehlschwitze verzichtet und gar eine Gambe und eine Laute verpflichtet hatte. Kontraste blieben. Da war etwa die großartige Arie "Eilt, ihr angefochtnen Seelen", wo Johannes Mannovs großer, opernhafter aber wirkungsvoll deklamierender Bass effektvoll mit dem geisterhaft einsetzenden Chor abwechselte. Und dann wiederum die Sopranarien, in denen die differenziert gestaltende Solistin Susan Gritton nicht vom allzu klebrigen Klangteppich des Orchesters abheben konnte.

Will man stete Spannung, statt Momente satten feierlichen Gähnens in Kauf zu nehmen, muss man wohl dem plastisch deklamierten Einzelwort mehr Beachtung schenken. Auch auf die Gefahr, dass es dem kulinarisch Hörenden im Halse stecken bleibt.

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