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Kultur: Musik in Berlin und Potsdam: Witz und Donner

Da lacht der Liebhaber barocker Naturinszenierungen: Links ziehen Schäfchenwolken durchs Azurblau, rechts türmt sich bedrohlich eine Gewitterwand auf. Der heitere Himmel gebiert Donner und Blitze, dann wieder recken sich Sonnenstrahlen aus dem Gedünst hervor.

Da lacht der Liebhaber barocker Naturinszenierungen: Links ziehen Schäfchenwolken durchs Azurblau, rechts türmt sich bedrohlich eine Gewitterwand auf. Der heitere Himmel gebiert Donner und Blitze, dann wieder recken sich Sonnenstrahlen aus dem Gedünst hervor. "Vorbild Natur" heißt das diesjährige Motto der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci - und doch bereitet die Mitspiellaune des Wetters den Veranstaltern jene Sorgen, die eigentlich im preußischen Arkadien ausgeschlossen sein sollten. Viele der 37 Aufführungen sind open-air-Veranstaltungen, und auch die Konzerte, die in den historischen Räumen stattfinden, werden erst durch den abendlichen Spaziergang im Park zum vollständigen Festivalerlebnis.

Bei der Premiere von Jean-Philippe Rameaus "La Guirlande" im Gartensalon am Neuen Palais allerdings sorgt der tief hängende graue Himmel erst für die rechte Stimmung, gibt dem kleinen acte de ballet die Aura des Irrealen, die gut zu dieser bittersüßen Vanitas-Parabel passt: Weil Myrtil fremdgegangen ist, welkte die Blumenkette, die ihn mit seiner Zélide verband. Um Vergebung für den Fehltritt bittend, legt er das trockene Laub auf Amors Altar nieder - wo Zélide es findet und gegen ihr blühendes Liebespfand austauscht, um den Geliebten zu testen: Sie zeigt ihm die verdorrte Girlande, er verzeiht ihr großmütig - und entlarvt sich damit selber.

Regisseur Paul Stern versetzt seine Zuschauer in die Zeit um 1770, als Friedrich der Große sich aus schmiedeeisernem Gitterwerk einen Gartensalon errichten ließ: In prachtvollen, von Stephan Dietrich erdachten Gewändern gibt sich der Adel Schäferspielchen hin. Dass dabei nicht nur gesungen, sondern auch getanzt wird, ergibt sich ganz von selbst und verlebendigt die ungewohnte, höfisch-mythologische Dramaturgie für heutige Augenmenschen. Schade, dass Stephan Rath mit der Batzdorfer Hofkapelle nicht gleichermaßen moderat-modernisierend vorgeht: So exquisit die Musiker das fein ziselierte musikalische Rankenwerk nachzeichnen - ein wenig mehr klangsprachlicher Biss hätte dieser alten, aber gar nicht altehrwürdigen Musik gut getan.

Wie lebensprall entfaltet sich dagegen Händels "Apollo e Dafne" unter den Händen von Wolfgang Katschner in der Ovidgalerie der Neuen Kammern. Zugegeben, der Hallenser folgt einer populäreren Ästhetik als Rameau, doch die mitreißende Interpretation der Berliner Lautten Compagney erkauft Lebendigkeit keineswegs durch Grobheit, sondern ersetzt distanzierte Noblesse durch beseeltes Spiel. Dazu tanzt ein Paar in Goldlamé, das den Reliefs an den Saalwänden entstiegen zu sein scheint. Die nämlich zeigen Szenen aus Ovids Metamorphosen - wie jene von Apollo und Dafne. Heike Hanefeld erweitert die Verfolgungsgeschichte um zwei Damen und Händels Kantate um einige Arien und Menuette, so dass eine Vierecksgeschichte entsteht, die den Abend vielschichtig macht und doch nie den barocken Ursprung verrät.

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