zum Hauptinhalt

Kultur: MUSIK IN BERLIN: Wuchernde Dichte

Das Frühwerk von Jean Sibelius ist bei uns so gut wie unbekannt."Kullervo", ein genialer Wurf des gerade 26jährigen von 1891, macht auch deutlich, warum.

Das Frühwerk von Jean Sibelius ist bei uns so gut wie unbekannt."Kullervo", ein genialer Wurf des gerade 26jährigen von 1891, macht auch deutlich, warum.Als Vokalsymphonie und in der Auseinandersetzung mit nordischer Mythologie zwischen Wagners "Ring" und Schönbergs "Gurreliedern" zeitgemäß, ist es doch ein Stück, das sich durch seine musikalische Sprache einer historischen Plazierung geradezu verstörend vieldeutig entzieht.Eine Wiederaufführung, wie sie das Deutsche Symphonie-Orchester in der Philharmonie versuchte, zeigt ein Werk, das in vielen Facetten Jahrzehnte der musikalischen Entwicklung vorwegnimmt, in einer Sprache, deren Originalität erstaunen muß: Zwar gibt es eine zeittypische Schicht von Leitmotivtechnik, die die Erzählung vom tragischen Leben des Helden Kullervo (eine Episode aus dem alten Kalevala-Epos) mitstrukturiert, und man hört viel thematische Arbeit (viel mehr als später bei Sibelius), aber durch die Art der Rhythmik und Deklamation, die sich aus archaischen Modellen des finnischen Epos entwickelt, ebenso wie durch eine bis an die Grenzen der Tonalität gespannte Harmonik, schließlich vor allem durch die Gestaltung ausgedehnter Klangflächen, in denen sich die einzelnen Stimmen mit einem außergewöhnlichen Maß an Freiheit bewegen, entsteht eine faszinierende Musik von fast naturhaft sich selbst organisierendem Wachstum.

Das DSO mit seinen glänzend disponierten Blechbläsern widmete sich dem Werk mit spürbarer Entdeckerfreude.Der junge finnische Dirigent Sakari Oramo ließ die wuchernde Dichte, das Organische dieser Musik ausmusizieren ohne dabei den dramaturgischen Fäden zu verlieren.

Die vokalen Protagonisten waren Ulla Sippola, die mit dramatischem Sopran in der aufdämmernden Erkenntnis des Inzests mit dem Bruder Kullervo den gesanglichen Höhepunkt des Abends gestaltete, und Raimo Laukka, dessen in den hohen Lagen etwas forciert geführter Bariton in der Intensität seiner Selbstverfluchung am Ende dennoch beeindruckte.Die Herren des Ernst Senff Chors zeigten in den Unisono-Deklamationen leider nicht immer eine ganz einheitliche Stimmfärbung.

MARTIN WILKENING

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false