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Kultur: Musikalische Knallfrösche

Von Frederik Hanssen Kennen Sie „Soda Club“, jene plump wirkenden Geräte, die gewöhnliches Leitungswasser in Sprudel verwandeln können und dabei - nun ja - höchst zweifelhafte Geräusche von sich geben? An derlei Toneruptionen sollte lieber nicht denken, wer ein Konzert des „Soda Sinfonie Orchesters“ im Innenhof der Kulturbrauerei besucht.

Von Frederik Hanssen

Kennen Sie „Soda Club“, jene plump wirkenden Geräte, die gewöhnliches Leitungswasser in Sprudel verwandeln können und dabei - nun ja - höchst zweifelhafte Geräusche von sich geben? An derlei Toneruptionen sollte lieber nicht denken, wer ein Konzert des „Soda Sinfonie Orchesters“ im Innenhof der Kulturbrauerei besucht. Die neue Musikertruppe leitet ihren n nämlich vielmehr von einem Restaurant auf dem einstigen Bierfabrikationsgelände am Prenzlauer Berg her, das den Solisten zwischen ihren Auftritten als Garderobe und Wärmestube dient. Auch wenn das Areal an der Knaakstraße wahrlich nicht mit einer außergewöhnlichen Akustik auftrumpfen kann – was am Sonnabend bei der Open-Air-Operngala durch die Lautsprecher schallte, konnte sich absolut hören lassen.

Ensembles wie die Soda-Sinfoniker heißen im Fachjargon „Telefonorchester“: Ein Musiker trommelt fernmündlich seine Kumpels aus Studienzeiten zusammen (in diesem Fall von den beiden Berliner Musikhochschulen), weil er eine „Mugge“ aufgetan hat, eine „musikalische Gelegenheitsarbeit“. Und die Kolleginnen und Kollegen sind in der Regel auch gerne dabei, wenn die Bezahlung halbwegs stimmt.

So fand sich für den „1. Open Air Klassik Sommer in der Kulturbrauerei“ eine Truppe zusammen, „dessen Potenzial jedes Konzert unter freiem Himmel grenzenlos werden lässt“,wie der Programmzettel in übelstem Werbeagentur-Sprech herausposaunt, und die in der Realität sehr solide Profiqualität liefert. Zwar klappert es in manchen orchestralen Rezitativ-Einwürfen noch und bei Verdis „La donna è mobile“ passiert fast ein kleines Malheur, weil vielleicht doch nicht genug Probenzeit eingeplant war, aber der Gestus der Musik stimmt immer.

Dafür sorgt Friedrich Suckel, ein junger Dirigent mit sicherem Operngespür, der jüngst in Saalbau Neukölln mit einer äußerst spritzigen „Italienerin in Algier“ auffiel und nun auch hier für Eleganz bei Mozarts „Figaro“ und französische Leichtigkeit in den „Carmen“-Hits sorgt, die „Freischütz“-Ouvertüre sensibel und stimmungsvoll aufbaut und Verdis „Rigoletto“ passioniert pulsieren lässt.

Ihm zur Seite stehen sieben Solisten, die allesamt mit differenzierten Interpretationen und vorbildlicher Textverständlichkeit glänzen: Hye-Youn Lee ist für liebliche, sonnenhelle Koloraturen zuständig, Barbara Rozenkiewicz singt innig von Lieb und Liebesleid, Judith Simonis tritt als Inkarnation der Carmen auf, mit ehrfurchtgebietendem Blick und ebensolcher Mezzosopran-Tiefe. Hyong-Soon Ha steuert als „Figaro“-Bartolo eine Buffo-Miniatur bei, Erik N. Werner beeindruckt mit angenehmem Timbre, darstellerischer Natürlichkeit und einem flexiblen Bassbariton, der auch die vokale Statur für den Rigoletto hat.

Und dann gibt es da noch gleich zwei Tenöre: Yewheniy Taruntsov, der als Don José wie auch als „Freischütz“-Max mit kluger Kräfteeinteilung seinen Mann steht, sowie Jonas Gudmundsson, der sich angesichts seiner mühelosen Höhe um die künftige Karriere als charmanter Bühnenverführer keine Sorgen machen muss.

Ein Abend zündender musiktheatralischer Knallfrösche also, passenderweise gekrönt von einem ebenso effektsicher komponierten Brillant-Feuerwerk. Allein das Berliner Wetter erinnerte mal wieder an einen eher faden Longdrink: Soda on the rocks.

Die Operngala wird am 27.7. wiederholt, einen Tag zuvor, am 26.7., gibt es in der Kulturbrauerei Brahms’ Violinkonzert und Dvoraks Symphonie „Aus der Neuen Welt“ (Dirigent: Alexander Hannemann), am 28. 7. dann Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ unter Marco Comin. Karten unter Tel. 44 05 87 08.

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