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Höllenritt: Leila Josefowicz mit "Scheherazade.2" in der Berliner Philharmonie.

© Kai Bienert/Musikfest Berlin

Musikfest Berlin: Die Kriegerin

John Adams ist in dieser Saison Composer in Residence der Berliner Philharmoniker. Zum Musikfest stellt er sich auch am Pult in der Philharmonie vor. Star des Abends ist jedoch die Geigerin Leila Josefowicz.

Manchmal schaut Leila Josefowicz so grimmig ins Publikum, dass einem bange wird. Aber es ist nur der Furor der Partie, der ihr ins Gesicht geschrieben steht. Die amerikanisch-kanadische Geigerin, für die John Adams seine dramatische Symphonie „Scheherazade.2“ geschrieben hat, ist der Star des Philharmoniker-Abends beim Musikfest 2016, eine moderne Scheherazade, die der Orchestergewalt trotzt. Die Scheherazade aus „1001 Nacht“ verführt, diese Frau kämpft mit offenem Visier, widerspricht, wehrt sich, setzt dem Orchester-Kollektiv mit Hieben und Stichen zu. Der Bogen als Bajonett, eine Parforcetour, ein Höllenritt.

Uraufgeführt haben Josefowicz und Adams das knapp 50-minütige Werk im März 2015 in New York. Danach präsentierten sie es bald zwei Dutzend Mal, mit diversen Orchestern an etlichen Orten. Für ein zeitgenössisches Werk ein Riesenerfolg. Allerdings handelt es sich um ein doch fragwürdiges Werk: Warum hält der vor allem für seine Opern („Nixon in China“, „The Death of Klinghoffer“) bekannte Komponist an Formenkanon und Musiksprache des späten 19. Jahrhunderts fest? Emanzipatorischer Plot, klassische Programmmusik, das passt nicht zusammen. Und das Weltbild bleibt stereotyp: hier die tapfere unterdrückte Frau, dort die Fundamentalisten, „Männer mit Bärten“, wie Adams sie nennt.

John Adams dirigiert erstmals die Berliner Philharmoniker

Stellt nicht jedes Solokonzert die Selbstbehauptung eines Einzelnen einem mal unerbittlichen, mal aufmerksam zugewandten Kollektiv gegenüber – auch wenn es weniger fortissimo vorgeht, weniger barsch als Adams’ Stück? Es ist wie bei Antikriegsfilmen: Oft reproduzieren sie eben das, was sie kritisieren wollen, sehen sich selbst überwältigt von der Wucht des Martialischen. Die wenigen Passagen, in denen die nach Minimal-Music-Art wildgezackten Figuren sich auflösen, in flirrende Soundteppiche mit Harfe, Celesta und Hackbrett oder auch in jazzige Blue Notes, machen das nicht wett.

John Adams, 69, erstmals am Pult der Philharmoniker in Berlin.
John Adams, 69, erstmals am Pult der Philharmoniker in Berlin.

© Kai Bienert/Musikfest Berlin

John Adams, Jahrgang 1947, dirigiert an diesem Donnerstag erstmals die Berliner Philharmonike, die den amerikanischen Post-Minimalisten in dieser Saison als Composer in Residence eingeladen haben. Zum Auftakt des Abends ein Rückblick: Adams’ vor gut 30 Jahren entstandene „Harmonielehre“, ein ehern tonales Gebilde, das sich als Replik auf Schönbergs Zwölftonlehre versteht. Manche Kunst altert. Das schmerzhaft Repetitive der Minimal Music, die Mechanik der Metamorphosen, Großstadtchaos im Zeitraffer, ach, es hat seinen Reiz verloren.

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