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Kultur: "My First Political Dance Album": Tanzende Kühe

Musik ist ein ständiges Sich-Erinnern, hat Franz Werfel geschrieben. Le Hammond Inferno erinnern sich: an Funk, Disco, Rave und New Wave.

Musik ist ein ständiges Sich-Erinnern, hat Franz Werfel geschrieben. Le Hammond Inferno erinnern sich: an Funk, Disco, Rave und New Wave. Bedeutungsschwangere Namen wie New Order, Stone Roses und Fatboy Slim kursieren im Raum. Das Berliner Duo scheut keine Grenzen. Es vereint auf einer Platte, was in der heimischen Plattensammlung bereits nebeneinander steht: Dance aus der Pop-Perspektive, überquellend eklektisch und endlich auf Langrille: "My First Political Dance Album" (Bungalow/Labels/Virgin). Ein Manifest? Holger Beier schmunzelt wie Bart Simpson, der absichtlich auf frischer Tat ertappt wird.

Im frischbezogenen Büro des eigenen Labels Bungalow Records holt er mit Kompagnon Markus Liesenfeld zum Rundumschlag aus: gegen die Intellektualisierung von Spass und die Funktionalität von DJ-Musik. "Das ist ironisch und provokant zugleich", erklärt Beier den Titel. Dann wirft er einen Blick auf das Cover des Albums. Friedlich grasen dort Kühe auf einer grünen Wiese. "Politisch ist es vielleicht durch das Bild geworden", meint er. "Als wir das Album aufgenommen haben", führt Liesenfeld aus, "gab es eine Flut langweiliger Alben von Leuten, die super Singles gemacht haben. Besonders einige französische House-Alben waren ziemlich funktional. Bei uns geht es um das Gefühl, eine Platte in der Hand zu halten und zu sagen: Wow!" "Es soll der Versuch sein, Dance aus einer Belanglosigkeit herauszuführen", konstatiert Beier.

Die beiden DJs um die Dreissig wissen, wovon sie sprechen. Seit fast zehn Jahren tingeln sie landauf, landab, in jedem Kaff haben sie gearbeitet. Mitte der Neunziger gründeten sie ihr Label Bungalow und loten seitdem Höhen wie Tiefen des Business aus. Bands wie Stereo Total, Mina und Dauerfisch sind bei ihnen unter Vertrag, sie haben Remixe für Andreas Dorau und Saint Etienne gefertigt und fast den gesamten Globus als Plattenunterhalter bereist. "Dass wir ein Album gemacht haben, ist aber ein Riesenzufall", gesteht Beier, leicht verschnupft und leicht gerändert unter den Augen. Welcher Umstand verhalf dem Schicksal auf die Sprünge? Aus einem kollektiven Mund sprudelt es: "Nike!"

"Als wir zum dritten Mal mit einem Fuss in der totalen Pleite standen, kam ein Anruf aus Los Angeles, ob sie einen Titel von uns für einen Spot nehmen dürften", erzählt Beier. Sein Mitstreiter nickt: "In solchen Augenblicken überlegst du nicht lange. Ohne das Geld hätte es 2000 nicht weitergehen können." Dank des Sportartikel-Moguls haben Le Hammond Inferno ein spannendes, wenn auch kantiges Album produziert. "Wir machen Musik, die man entdecken muss", glaubt Markus Liesenfeld. Holger Beier paraphrasiert das in eigener Prosa: "Musik, über die alle schreiben und die keiner kauft." Dabei wartet die Platte mit einem richtigen Ohrwurm auf. "Move your Mp3" knallt in das Trommelfell mit dem Charme einer Maschinenpistole. Der Titel schreit nach Tanzfläche wie ein Baby nach der Muttermilch. Geben sich die DJs auch selbst den Rhythmen hin? Holger Beier guckt ganz entgeistert: "Ich tanze für mein Leben gern. Und beim Auflegen auf alle Fälle." Jene Momente spiritueller Entrücktheit mögen es sein, die sich später als Erinnerung manifestieren. Le Hammond Inferno verfügen über sie und das Wissen sie zu verarbeiten.

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