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Andrew Garfield in "Under the Silve Lake"

© Weltkino

Mystery-Drama „Under the Silver Lake“: Schnitzeljagd im Hipsterviertel

Hitchcock lässt grüßen: David Roberts Mystery-Thriller „Under the Silver Lake“ ist ein nostalgischer Film, der mit den Erwartungen der Zuschauer spielt.

Ein sonniger Morgen in L. A., ein Coffeeshop im Hipsterviertel Silver Lake. Die Kamera schwenkt vorbei an lässig gekleideten Jungmenschen in bunten Shirts, kurzes Innehalten bei einem Mann mit Strubbelhaar – unser Held –, Zoom auf zwei Mädchen im Hintergrund. Spätestens jetzt, also nach etwa einer Minute, setzen erste Irritationen ein: Untermalt wird der Zoom von schwelgerischer Musik – irgendwie zu viel für die 08/15-Mädchengesichter und den Durchschnittstypen. Eine Hommage an eine vergangene Filmkultur oder eher eine Persiflage? Diese Frage in der Schwebe zu lassen, ist der Drahtseilakt von David Robert Mitchells Mystery-Thriller „Under the Silver Lake“.

Mit dem Hommage-Part hält er nicht hinterm Berg: In der nächsten Szene sehen wir Sam (Andrew Garfield) von der Terrasse aus seine Nachbarinnen ausspionieren – Hitchcocks „Fenster zum Hof“ lässt grüßen. Damit der Hinweis nicht übersehen wird, gibt’s ein Filmplakat an der Wohnzimmerwand, später einen kurzen Blick auf Hitchcocks Grabstein. Die ausspionierte Nachbarin, blondes Haar, weißer Hut, weißes Hündchen auf dem Arm, erinnert wiederum an Alicia Silverstone aus „Clueless“. Überall Zitate und Versatzstücke – ein Fall von Metakino.

Auf das Verschwinden der Nachbarin folgt eine abstruse, verwickelte Geschichte mit unzähligen Volten, Figuren und Schauplätzen. Auf der Suche nach der Blonden spaziert Sam mythische Kinoorte ab, etwa das Hollywood Reservoir, das Griffith Observatory und den Hollywood-Schriftzug in den Hills. Er trifft auf einen Obdachlosen-König, einen verschrobenen Comic-Zeichner und eine Popband namens Jesus and the Brides of Dracula – und auf Starlets, reiche Erbinnen und Escort Girls, dargestellt etwa von Riley Keough, India Menuez und Zosia Mamet. Leider dürfen sie jeweils kaum mehr als drei Sätze sagen.

Zwischen Wahrhaftigkeit und Quark

Die Mädchen vom Eingangszoom sieht man dagegen nicht wieder – bewusst wurde eine falsche Fährte gelegt. Auch das ist ein Verfahren des Films: Ausgiebig streut er Rätsel – was ist mit dem Hundeserienkiller, was mit der männermordenden Eulenfrau? – und folgt Spuren, um sie wenig später wieder aus den Augen zu verlieren. Derweil verstrickt sich Sam in einen paranoischen Lektüremodus, indem er überall versteckte Bedeutungen, Muster und Zusammenhänge wittert. Sam befragt und entschlüsselt Comic-Fanzines, Print-Magazine, Langspielplatten, Filmposter und frühe Videospiele – eine Populärkultur, die so längst nicht mehr existiert und in aller Glorie nochmals entfaltet wird. Digitale Technologien und soziale Medien fehlen weitgehend: „Under the Silver Lake“ ist ein nostalgischer Film – und forciert mit seinen im Nichts versandenden Schnitzeljagden lustvoll die Frustration von Zuschauererwartungen.

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Vielleicht lässt er sich auch als Crossover zwischen David Lynchs „Mulholland Drive“ und „The Big Lebowski“ von den Coen-Brüdern beschreiben: ihrerseits Metafilme, auch schon um die 20 Jahre alt, die Los Angeles als kino-mythologischen Schauplatz in Szene setzten und dem Noir-Genre Tribut zollten. „Under the Silver Lake“ oszilliert zwischen dem Versprechen tiefer Wahrhaftigkeit und dem Eingeständnis, bedeutungsloser Quark zu sein – aber vielleicht war Hollywood ja immer schon beides.

In 12 Berliner Kinos (OmU). OV: Cinestar Sony-Center

Elena Meilicke

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