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Schnüffler mit siebtem Sinn: Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) traut Marta (Ana de Armas) nicht über den Weg.

© Universum

Mystery-Krimi mit Starbesetzung: „Knives Out“ beschwört das Erbe von Agatha Christie

Regisseur Rian Johnson legt in seinem Krimi „Knives Out“ falsche Spuren so virtuos wie die Grand Dame des Kriminalromans.

Was für eine kluge Entscheidung, das Kinojahr mit diesem Film zu beginnen. Radikale Nüchternheit, aber eine, die höchsten Genuss gewährt. Zu viel gegessen, zu viel getrunken, zu viel hirnliche Weichmacher konsumiert? Mit „Knives Out“ kommt der Durchblick zurück.

Es ist ein seltsamer Effekt, nicht allzu häufig im Kino: Aber nach „Knives Out“ fühlt man sich viel intelligenter. Und bestens unterhalten.

Das liegt wahrscheinlich nicht zuletzt daran, dass der Zuschauer immer mehr weiß als alle anderen zusammen, dem weltberühmten Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) inklusive.

Solche Auszeichnung des Publikums mit dem göttlichen Blick liegt eigentlich nicht in der Art der Kriminalautoren, nicht mal bei Agatha Christie. Und „Knives Out“ ist quasi ein Meta-Agatha-Christie-Film, eine Verbeugung vor der Grand Dame des Kriminalromans.

Rian Johnson hat zuletzt mit „Die letzten Jedi“ Sternenkrieger-Ruhm gesammelt. Mag sein, dass er mit „Knives Out“ seine höchst eigene Jahresend-Ausnüchterungszelle entworfen hat; er schrieb auch das Buch. Und im Gegensatz zu Kenneth Branagh, der mit seinem „Mord im Orient Express“ zuletzt auf das Kolorit der Meisterin gesetzt hat, siedelt Johnson seine Geschichte in der Gegenwart an.

Traditionsbewusstes Interieur voller absurder Figuren

Ort der Handlung: ein englischer Familiensitz, und damit das jeder begreift, hetzen gleich im ersten Bild zwei große, schöne Hunde auf den Zuschauer zu: Nur eine minimale Winkelverschiebung verhindert, dass sie einem mitten ins Gesicht springen. Immer diese Wirklichkeitserschütterungen.

Das Haus zum Beispiel passt zu einem Erfolgsmenschen fortgeschrittenen Alters mit Traditionsbewusstsein. Aber seltsam ist es schon. Und die Interieurs erst, voller absurder Figuren, so wohnt doch kein Mensch!

Außer Harlan Thrombey (Christopher Plummer), unfassbar erfolgreicher Kriminalautor. Den Charakter des Hausherren verkündet bereits seine Frühstückstasse: „Mein Kaffee. Mein Haus. Meine Regeln.“

Leider wird Harlan Thrombey den Kaffee am ersten Morgen seines 86. Lebensjahres nicht mehr trinken können. Das Hausmädchen findet ihn mit zerschnittener Kehle. Allerdings ist sofort klar: Das war er selber, das Messer noch in der Hand. Keine anderen Spuren.

Es gibt gewiss schonendere Arten, sich aus dem Spiel dieser Welt zu nehmen, aber wer auf der Höhe seiner eigenen Bücher sterben will, von dem darf man doch bitte keinen Allerweltstod erwarten.

Die ganze inkompatible Starfamilie ist versammelt

„Knives Out“ spielt, Szene um Szene, wunderbar unerwartbar mit dem Erwartbaren. Die Kriminalisten verhören die Zeugen. Also die Familie, alle waren schließlich am Vorabend auf der Geburtstagsfeier. Und dürfen jetzt auch nicht weg. Ein Motiv hat eigentlich jeder. Doch bei einem Selbstmord?

Hinter dem um größtmöglichen Scharfsinn bemühten Lieutenant (LaKeith Stanfield) und seinem Assistenten flegelt meist der Stardetektiv, engagiert von Unbekannt. Man kann ihn nicht wegschicken, obwohl er nur stört. Und wen die drei alles vor sich haben: Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Michael Shannon, Don Johnson, Chris Evans. Die ganze inkompatible Starfamilie.

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Jamie Lee Curtis etwa spielt eine nüchterne Geschäftsfrau, der keiner etwas vormacht – bis auf ihren nichtsnutzigen Ehemann (Don Johnson). Sie alle machen aus jedem noch so kränkend kleinen Auftritt einen ziemlich großen, aber nie so, wie man sich das gemeinhin vorstellt.

Nicht indem sie alle übrigen verblassen lassen, nein, indem sie einander einfach nur zuhören. Es gibt bemerkenswerte, witzige Weisen, anderen zuzuhören, ihnen mit minimalsten Gesten zu antworten. Worte zählen nun wirklich zur gröbsten, unsublimsten Art der Mitteilung.

Gegenstände lügen nicht

Hier antwortet überhaupt jeder jedem, teils höchst unfreiwillig. Selbst die Gegenstände. Und das liegt nicht an 007-Craig. Kamera (Steve Yedlin) und Schnitt (Bob Ducsay) sind die wahren Meisterdetektive in diesem Film. Auch, weil sie uns immer sehen lassen, wie es wirklich war. Was mitunter aber noch ratloser macht.

Ohne diese Rückblenden wüssten wir jedoch nichts über die wunderbar zarte Beziehung des Hausherrn zu seiner Pflegerin Marta (sehr bodenständig und doch nicht ganz von dieser Welt: Ana de Armas). Hätte sie nicht das stärkste Motiv?

Es ist nicht unerlässlich, aber auch nicht falsch, den Hintergrund von Trumps Amerika beim Familiären der Dialoge mitzudenken. Marta muss sich jedes Mal übergeben, wenn sie versucht zu lügen. Martas Magen ist überhaupt bald das Einzige, woran der Meisterdetektiv sich noch halten kann.
In 25 Berliner Kinos (auch OmU), OV: Cubix Alexanderplatz, Delphi Lux, Kinowelt Eastgate, Rollberg, Colosseum, Luxe Kino Mercedes-Platz

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