zum Hauptinhalt

Kultur: Na also - Mahlers Siebte und Achte

Was geschieht, wenn die Musik nicht mehr weiter weiß? Wenn der Olymp überschritten, wenn Apotheose und Zusammenbruch längst artikuliert sind?

Was geschieht, wenn die Musik nicht mehr weiter weiß? Wenn der Olymp überschritten, wenn Apotheose und Zusammenbruch längst artikuliert sind? Gustav Mahler hat diese Frage in seinen späten Symphonien beantwortet, mit unterschiedlichem Ergebnis. Dabei ist die Achte, diese "Riesenschwarte", wie Adorno sie genannt hat, längst als eines der lautesten - und schwer erträglichsten - Werke in die abendländische Musikgeschichte eingegangen. Als solche brachten sie die Staatskapelle Berlin gemeinsam mit dem Berliner Rundfunkchor, dem Prager Philharmonischen Chor und dem Tölzer Knabenchor in der Philharmonie zu Gehör. Michael Gielen schert sich wenig um Mahlers prätentiösen Kunstreligionsunterricht mit Pfingsthymnus und den in höchste Sphären vordringenden Schlussversen von Goethes "Faust". Gielen nimmt die Achte abstrakt: nicht als Oratorium, sondern als Maschinenmusik. Nicht als Sternenklang, sondern als Nachricht von einem kalten Planeten, mit wuchtigen Klangblöcken, mechanisch harten Schnitten und gnadenlosen Stimmungswechseln. Die sieben Solisten, zwischen Orchester und Chören platziert, haben da kaum eine Chance: gegen den übersteigerten Fortissimo-Apparat kann ein Heldentenor nun mal nichts ausrichten. Lediglich die Knaben mit ihren hellen Registern schlagen sich wacker und können es dennoch nicht ändern. Da hilft kein Pathos: Die allzu menschliche Stimme hat ausgedient, und die Symphonie erst recht.

Zu retten ist sie nur im Zitat und im Spiel mit der zerbrochenen Form. Das RIAS Jugendorchester spielte tags darauf Mahlers Siebte Symphonie in e-moll, mit einem hellwachen, engagierten Gerd Albrecht am Pult. Ein sportiver Abend: Symphonik für Kurzstreckenläufer. Die Musikstudenten legen rückhaltloses Temperament an den Tag, mit drängenden Märschen und kapriziösen Menuetten, als seien Mahlers Nachtstücke die Begleitung zum Debütantinnenball. Diese Musik kennt nur nur die Gegenwart und schert sich nicht um den Lauf der Zeit. Das gespenstische Scherzo gerät deshalb zwangsläufig enttäuschend: zu diesseitig, hellsichtig, klar. Junge Menschen, so scheint es, haben keine Angst im Dunkeln und nehmen Mahlers Nietzsche-Paraphrase nicht weiter schwer: Na also, sprach Zarathustra. Nichts gegen Diesseitigkeit: Aber wer in den Untiefen des Mahlerschen Volkstons auflaufen will, der muss erstmal seine Tiefen ausloten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false