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Kultur: Na also, sprach Zarathustra

Meese und Wuttke im Park von Neuhardenberg

Der Anfang gehört den Ameisen. Zu Dutzenden krabbeln sie auf den Campingstühlen, die für die Zuschauer im Schlosspark Neuhardenberg mit Blick auf Wiesen, Wälder, Weiher und das Denkmal Friedrichs des Großen bereitstehen. So ist das mit Naturschauspielen: Sie gehorchen eigenen Gesetzen. „Zarathustra – Die Gestalten sind unterwegs“ haben der Volksbühnen-Schauspieler Martin Wuttke und der Performance-Künstler Jonathan Meese ihr Nietzsche-Projekt vor malerischer Kulisse genannt, ein Picknick für alle, das irgendwie passend mit der Austreibung der Insekten beginnt.

Schon im Vorfeld war klar, dass keine fromme Rezitationsübung zweier Zarathustra-Jünger zu erwarten war, sondern dass man sich auf eine wilde Melange aus Nietzsche-Travestie und Western-Parodie, Nonsens-Suche und Synkretismus gefasst machen konnte. Allzumenschliches, nichts Übermenschliches. Wenn Wuttke und Meese in wallender schwarzer Frauengarderobe des ausgehenden 19. Jahrhunderts aus dem Gebüsch treten (Kostüme: Nina von Mechow), flanierend ihren Claim abstecken und sich zum Luftpistolen-Duell begegnen, ist der jungenhafte Cowboy-und-Indianer-Geist des Abends aufs Fröhlichste vorgegeben. Vorhang auf für die Friedrich-May-Festspiele im Neu-Segeberg der Nietzscheaner.

Nicht weit weg, auf dem ehemaligen NVA-Flugplatz Neuhardenberg, hatte Christoph Schlingensief im vorigen Jahr seine Installation „Odins Parsipark“ aufgebaut – auch so eine Mythen-Schnitzeljagd, die über Hitler und Stalin zum Bayreuther „Parsifal“ führte. Auch Jonathan Meese veranstaltet gerne Assoziationsgewitter; er braucht nur einen kleinen Schritt vom „Schatz im Silbersee“ nach Sils-Maria. Wobei Wuttke und Meese bei ihrer Wanderung durch den Zitatenpark mitunter Originalpassagen des Propheten Zarathustra deklamieren, etwa aus den Kapiteln „Das Honig-Opfer“ oder „Das andere Tanzlied“. Erbaulich begleitet werden sie von Jan Czajkowski, der auf einer kleinen Insel im Entengrützenteich am Freiluftklavier Liszt und Strauß spielt oder die Sänger stützt, wenn Meese und Wuttke unverzagt schiefstimmig zu Matthias Claudius’ Trostgedicht „Der Tod und das Mädchen“ anheben.

Ja, auch um die Geister der Frauen dreht sich dieser Pas de deux zweier Männer im Rock. Die Rollen sind flüchtig, von Nietzsches böser Schwester und Mutter ist auf dem popphilosophischen Spaziergang ebenso die Rede wie von den mütterlichen Freundinnen Malwida von Meysenbug und Meta von Salis. Selbst Johanna Spyris „Rosenresli“, zärtlich „Rosenmeesli“ genannt, findet Platz und wird von Tante Wuttke liebevoll bei der Hand genommen. Was, wie bei jeder guten Kolportage, in der Hochzeit gipfelt.

Ein Abend jenseits von Gut und Böse, eine kurzweilige Dada-Trash-Show. Die ausgelassenen Akteure scheinen auch nach dem herzlichen Applaus noch weitertanzen zu wollen. Alle Lust will Ewigkeit.

Weitere Aufführungen: heute, 13. und 18. – 20. August, jeweils 18 Uhr

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