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Nach Aufregung über Laubbläser in Aachen: Rettet die Herbstlaubpoesie!

War das eine Aufregung als sich kürzlich in Aachen aufgebrachte Bürger den mit jaulenden Laubbläsern bewehrten Grünflächenamtsmitarbeitern in den Weg stellten. Dabei kann der Berliner genau das vom Aachener lernen. Schluss mit dem Hollengetöse. Ran an die Harke!

Berliner, lerne vom Aachener! Der Aachener ist Ästhet, er ist Kulturbewahrer, ein Freund der Herbstpoesie, des tanzenden Blätterreigens und der besinnlichen Novemberstille, wie sie den beiden kommenden Totengedenksonntagen zu eigen ist. Wacker, welch ein unerschrockenes Zeichen gegen den Verlust traditioneller europäischer Kulturtechniken die offensichtlich durch die jährliche Karlspreis-Verleihung basisdemokratisch gereiften und sittlich gefestigten Bürger kürzlich gesetzt haben.

Na, ahnen Sie, worauf es hinausläuft? Es geht um den auch auf heiß diskutierten Aufstand der Aachener gegen die mit Laubbläsern bewehrten Krawalllandschaftspfleger vom Grünflächenamt!

Manch einer mag sich beim Bild der mit Mistgabeln, Heckenscheren und Rechen gegen Laubbläser zu Felde ziehende Meute zwar an die Bauernkriege erinnert fühlen. Doch wer einmal gesehen hat, wie die ineffizienten Pustrüssel inzwischen sogar von traditionsvergessenen Almbauern zum Heuwenden eingesetzt werden, begreift, dass die abendländische Zivilisation durch den Einsatz der Laubbläser bedroht ist. Von dem nach Benzin stinkenden Höllengeknatter Mittwochfrüh im Neuköllner Hinterhof mal ganz zu schweigen!

Herbstlaub - Der Stoff aus dem die Träume sind

Ist doch das Herbstlaub nicht nur das Heim des Igels und die Pein des Schrebergärtners, sondern ein Stoff, aus dem die Träume sind. Unzählige Lyriker – nicht nur der olle Rilke, auch Goethe, Trakl, Hebbel oder Nietzsche – haben sich des erdigen Vergänglichkeitsaromas und seiner raschelnden Metaphorik bedient. Auch ist das Laub als Epitaph auf Berliner Friedhöfen zu finden. Wie auf dem Grabstein der „Kiezpoetin“ Gudrun Wasser auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof II in der Kreuzberger Bergmannstraße. Sie hat sich gleich neben dem Schriftsteller Ludwig Tieck einquartiert. Auf dem schweren schwarzen Granit ihres Grabsteins steht in güldenen Lettern: „Dieser Herbststurm! / Er jagt die wilden Schweine vor sich her / wie welke Blätter.“ Neoromantische Naturlyrik, ein Haiku von einem gewissen Manfred Hausmann. Im Herbst umkränzt von feuchtem Laub zielt es direkt ins Herz des Melancholikers. Undenkbar, ja, geradezu ein Kulturbruch, wenn hier einer dieser Donnerpuster grasreinigend zu Werke ginge.

Berliner, sei kein Aachener! Was dem einen der Rechen in der Faust, ist dem anderen die Laubharke in der Hand. Besinne dich auf ressourcenschonende Kehrtechniken! Gegen Blasen am Daumen helfen Arbeitshandschuhe. Und die Schönheit kehrt zurück in herbstliche Alleen.

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