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Kultur: Nach dem Verlassen seiner nur scheinbar paradiesischen Heimat Kurdistan verstummt der kleine Memo - ein preisgekrönter Film nicht nur für Kinder

Er Ist Neun. Er heißt Mohammed, aber alle nennen ihn Memo.

Er Ist Neun. Er heißt Mohammed, aber alle nennen ihn Memo. Er lebt in einem Land, das es auf Landkarten gar nicht gibt: Kurdistan - und für Memo ist es eine Art Paradies. Memo verteilt die Post in seinem Dorf und liest sie vor, wenn es nötig ist, er ist Schafhirte nach der Schule, er hat ein Lieblingsschaf namens Resho, und wenn nichts zu tun ist, sitzt er am liebsten in den Bäumen. Manchmal fliegen graue Flugzeuge über die Bäume, er weiß nicht warum. Auch das gehört zum Paradies: dass man nicht und niemals weiß warum.

Weil aber die Flugzeuge Krieg führen gegen Kurdistan, holt der Vater, der im Rotterdamer Hafen arbeitet, seine Familie da raus. Memo stößt das Fahrrad um, das ihm der Vater bei einem seiner Besuche geschenkt hat, er verabschiedet sich von seinem besten Freund und von Resho und steigt mit Vatermutterschwester ins Flugzeug. Und landet in Holland, das es auf Landkarten gibt und das nicht das Paradies ist, sondern grau und nass und leise und fremd. Für Memo hat es nur eine Kellerwohnung mit Fenstergeviert auf Fußsohlenhöhe: Von hier aus betrachtet er die Welt. Memo, der nicht verstehen kann, dass der Vater sie alle gerettet hat aus dem Paradies. Memo, der auf seine Weise antwortet. Memo, der schweigt. Memo, dem es die Sprache verschlagen hat von einem Tag auf den andern und das Lachen.

Ben Sombogaart hat einen Kinderfilm gedreht - für Neunjährige ebenso wie für Dreimal- oder Fünfmalneunjährige. Memo erfährt Heimat und Heimatlosigkeit, Angst und Wut, Gefahr und Mut, Widerstand und langsames Ankommen in diesem Land, das nicht das Paradies ist. Dafür gibt es etwa Jeroen, den Schulkameraden, der ihn schweigen lässt und ein Wörterbuch zur Hand hat, wenn es nötig ist und keinen Unterschied macht, ob Memo nun nicht sprechen will oder nicht sprechen kann. Und eines Tages, auch das erfährt Memo, kann sein Schweigen ebenso nützlich sein wie das Gegenteil.

Wo sind wir zu Hause? Wo wir sprechen können. Und lachen. Oder lächeln zumindest, groß und breit. "Der Junge, der nicht mehr sprechen wollte", ist auf Festivals mit Preisen überhäuft worden, zuerst 1996 beim Berlinale-Kinderfilmfest, wo schon ein paar Jahre zuvor Sombogaarts "Das Taschenmesser" lief - auch so ein Film, den nicht vergisst, wer ihn einmal gesehen hat. "Tarzan" und so kann man später immer noch sehen.Regenbogenkino, Lausitzer Straße 22. Nur bis Sonntag, jeweils 14.45 Uhr.

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