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Kultur: Nach dem warmen Ton die Explosion

KLAVIERMUSIK

Franz Schuberts Klaviersonaten sind nur scheinbar so simpel, wie sie auf den ersten Blick mit ihren einfachen Melodien und ihrer hervorstechenden Sanglichkeit erscheinen. In der Durchführung der Themen und in der Durchbrechung, gelegentlich fast endlosen Erweiterung der Sonatenstruktur, offenbart sich ein Komponist, der das bei Beethoven Mögliche gelernt und manches von Bruckner Propagierte vorweggenommen hat. Ein interpretatorischer Weg durch diese komplexen Sonaten ist schwer zu finden und vielleicht nur durch Fokussierung auf einen Aspekt zu bewerkstelligen: So wie es François-Frédéric Guy bei seinem Klaviernachmittag im Kammermusiksaal der Philharmonie mit der großen Sonate D 959 versucht. Ganz vom Klanglichen nähert sich der Franzose Schuberts Musik, bemüht sich nicht darum, Strukturen herauszuarbeiten, sondern lässt mit warmen Ton Linien ineinanderfließen. Erzielt, besonders bei Harmonieverschiebungen wie der nach C-Dur in der Durchführung des ersten Satzes, bezaubernde Effekte. Kann aber auch, etwa im Mittelteil des zweiten Satzes, kraftvoll explodieren. Man muss Guy in diesem Ansatz – den er bei der folgenden Interpretation von Tristan Murails an den Impressionismus angelehnten Komposition „La Mandragore" fortführt – nicht zustimmen. Aber man bewundert, wie in sich geschlossen und durchdacht er wirkt. Guy kann auch anders: Prokofjews fast maschinistische, rabiate sechste Sonate, die den Nachmittag beschließt, gelingt ihm erstaunlich klar; die kreisenden Wiederholungen nutzt er, um das Werk zu gliedern. So wirkt auch dieses sperrige Stück letztendlich wohl durchdacht und konsequent interpretiert.

Christian Kässer

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