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Kultur: Nach Osten!

Forum: Ulrike Ottingers Neuverfilmung „Zwölf Stühle“

Ein Mekka für alle sowjetischen Schachspieler, eine Metropole, größer und schöner als Moskau malt der große Kombinator im Dorfclub an die Wand. Nur Fantasie und Eigeninitiative müssten sie aufbringen. Ihm selbst fehlt es daran nicht. Nur muss er oft Prügel dafür einstecken, so auch im Dorf, wo er die kleine Barschaft des Vereins an sich bringt, damit er und sein Auftraggeber Worobjaninow wieder von der Stelle kommen.

An Fantasie und kühnen Visionen fehlte es nicht, als Ilja Ilf und Jewgeni Petrow 1928 ihren Schelmenroman „Zwölf Stühle“ veröffentlichten. Die vorübergehende Rekapitalisierung des Handels und der Kleinproduktion hatte die Gelüste nach Reichtum wiederbelebt. Warum sollte da nicht eine Aristokratin ihrem Schwiegersohn, dem Standesbeamten Worobjaninow (etwa: „schlauer Fuchs“), auf dem Sterbebett das Versteck ihrer Brillanten in einem von zwölf Stühlen verraten? Der wiederum schlüpft in die Maske eines Detektivs, stößt auf den Tunichtgut Ostap Bender und jagt mit ihm dem Schatz hinterher, quer durch die Ukraine bis nach Odessa. Ohnen folgt Vater Fjodor, dem die Alte dummerweise auch gebeichtet hat.

Ilf und Petrows weltberühmtes Buch wurde bereits mehrmals verfilmt. Ulrike Ottinger, die sich schon für ihrem Dokumentarfilm „Südostpassage“ in die Ukraine begab, fand in Georgi Delijew und Genadi Skarga zwei clowneske Mimen, die der Inszenierung in russischer Sprache (mit deutschen Untertiteln und von Peter Fitz gelesenen Romanauszügen) zu doppeltem Witz verhelfen: dem des Romans und dem des Films, der die Moral der Sowjetzeit ins Gestern zurückverweist.

Ottingers Film verschränkt die Zwanzigerjahre des Romans mit der neurussischen Gegenwart, in der sich nur die Gerissenen nach oben arbeiten. Gut drei Stunden schickt sie ihre Helden zudem durch Bilder von Städten und Landschaften, deren Schönheit und Farbenpracht einem den Atem verschlägt. Ilf und Petrow hätten es sich nicht träumen lassen, dass ihr satirisches Pathos einmal der Erinnerung des Vergangenen statt der Beschwörung der Zukunft dienen würde. Am Ende, wenn sich Worobjaninow seines Kompagnons entledigt, steht uns die Gegenwart bar jeder Romantik vor Augen. Der Reichtum ist aufgebraucht.

Heute 17 Uhr (Delphi), morgen 20 Uhr (Cinestar 8), 10.2. 10 Uhr (Arsenal)

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