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Kultur: Nachgedenklich

"Plötzlich stand ich im Zimmer des Zensors." Erlebnisse des OSZE-Medienbeauftragten Freimut Duve in einem angeblich zensurfreien Land, Usbekistan.

"Plötzlich stand ich im Zimmer des Zensors." Erlebnisse des OSZE-Medienbeauftragten Freimut Duve in einem angeblich zensurfreien Land, Usbekistan.Offenbar braucht er seine eigenen Erzählungen, um sich aufs Nachdenken einzustimmen.Duve ist selbst ein Erzähler.Mit anderen Erzählern traf er sich am Montag in Berlin, um über die Bücherverbrennung von einst und die Kontinuität von Zensur und Unrecht bis heute nachzudenken.Die deutschsprachige Rumänin Herta Müller, der gebürtige Iraner SAID, der Serbe Bora Cosi¿c und der Bosniake D"zevad Karahasan kamen auf Einladung der Villa Aurora ins Magnus-Haus am Kupfergraben, gar nicht weit entfernt von der Stelle, an der vor 66 Jahren Deutsche ihre besten Bücher verbrannten, weil sie den Machthabern als "undeutsch" galten.Jeder der Eingeladenen zählt zu den wichtigsten Schriftstellern seines Landes.Alle leben im Exil, weil in ihrem Heimatland ihr Leben und ihre Literatur bedroht sind.

Unter Freimut Duves dominanter Führung entstand eine intensive, nachdenkliche Diskussion mit einigen klugen Einsichten, auf die sich alle Diskutanten einigen konnten.Daß Menschen nicht als Juden oder Moslems, Serben oder Kroaten geboren, sondern daß sie dazu gemacht werden.Daß Völkerhaß niemals natürlich entsteht, sondern immer aus politischen und wirtschaftlichen Gründen künstlich geschürt wird.Daß Nationalismen die besten Hüllen für alle möglichen Ideologien bieten, gerade weil sie selbst so inhaltsleer sind.Daß dieselben Menschen eine hochzivilisierte Kultur schaffen, erhalten, genießen können - und sie zerstören, wenn sie ihre eigenen Werte verraten, Bücher verbrennen und Menschen ermorden.Auch, daß die Verbrechen der einen nur möglich sind durch die Denkfaulheit der anderen.Daß wir alle nur sehen, was wir sehen wollen.

Bei aller Betroffenheit kam in dieser Runde auch eine Art Freude am Nachdenken und Zuhören auf.Schließlich sind Gespräche wie dieses eine Möglichkeit, die Denkfaulheit zu überwinden.Ein Exil-Museum, wie Herta Müller es in ihrem Plädoyer gefordert hat, wäre vielleicht eine andere.Damit das Leben im Exil den Deutschen nicht mehr ganz so fremd bleibt.

SONJA BONIN

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