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Majestätisch. Ruth Leuwerik als Kaiserin Elisabeth von Österreich mit O.W. Fischer in "Ludwig II."

© Imago

Nachruf auf die Schauspielerin Ruth Leuwerik: Kumpel und Königin

Sie war die ideale Frau des deutschen Nachkriegskinos: Zum Tod der Schauspielerin Ruth Leuwerik.

Die Gesichtszüge fein geschnitten, die Stimme ein wenig nasal und bei aller Wärme immer distanziert. Die Aura – so frisch gewaschen wie bei keiner anderen Schauspielerin der Ära Adenauer. Ruth Leuwerik, die am Dienstag in München im Alter von 91 Jahren gestorben ist, war das Leinwandidol des keimfreien deutschen Nachkriegskinos. Die Aristokratinnen, die sie 1953 in der Thomas-Mann-Verfilmung „Königliche Hoheit“, 1955 in „Ludwig II.“ und 1957 in „Königin Luise“ spielt, sind keine ausschweifenden, selbstverliebten Geschöpfe, sondern von einer zupackenden, bürgerlich wirkenden Vernunft geprägt. Und die von ihr verkörperten berufstätigen Bürgerinnen, wie die Studienrätin in „Immer, wenn der Tag beginnt“ von 1957 und die Bürgermeisterin in „Die ideale Frau“ von 1959 verfügen über ein unbeugsames Selbstbewusstsein und stille Noblesse. Gepaart mit der in den Fünfzigern überaus modernen Haltung, nicht mehr nur liebende Ehefrau und sorgende Mutter, sondern souveräne Kameradin des Ehemannes sein zu wollen, was dem Star viele Verehrerinnen aus den Büros der jungen Republik beschert.

Selbst berühmte Männer wie Thomas Mann und Mao Tse-Tung verehrten sie. Ersterer ist entzückt von ihrer Darstellkunst in „Königliche Hoheit“ und nennt sie eine „Frau von beträchtlicher Ansehnlichkeit“. Letzterer offenbart sich gegenüber dem einstigen Außenminister Klaus Kinkel als Fan des Welterfolgs „Die Trapp-Familie“, in dem Ruth Leuwerik 1956 an der Seite von Hans Holt die Hauptrolle spielte. Das hat die Schauspielerin 2004 bei einem Besuch in Berlin erzählt. Damals widmete ihr das Filmmuseum am Potsdamer Platz zum 80. Geburtstag die Ausstellung „Die ideale Frau – Ruth Leuwerik und das Kino der fünfziger Jahre“. Die Schauspielerin selbst hielt von ihrer Rolle der musikalischen Novizin, die zur Ziehmutter von sieben Kindern mutiert, eher weniger. Sie habe den Part in dem Heimatfilm damals nur angenommen, um die Karriere in Schwung zu halten: „Mütter, die wie Glucken auf ihren Kindern sitzen, sind nicht mein Fall.“

Knef, Schell, Ziemann, Leuwerik - das sind die Diven

Geboren wurde Ruth Leuwerik am 23. April 1924 in Essen als Kaufmannstochter. Im Krieg verpflichtete man sie als Fräserin, später besuchte sie erst eine Handelsschule und arbeitete als Stenotypistin, bevor sie sich die Extravaganz leistete, Schauspielunterricht zu nehmen. 1947 folgte das erste Theaterengagement in Bremen, später spielte sie mehrere Jahre am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Jean Anouihls „Eurydike“ wurde ihre umjubelte Glanzrolle.

Ruth Leuwerik (23.4.1924 - 12.1.2016). Hier auf einer Fotografie von 2004.
Ruth Leuwerik (23.4.1924 - 12.1.2016). Hier auf einer Fotografie von 2004.

© dpa

Die Filmkarriere beginnt 1950 mit der turbulenten Komödie „13 unter einem Hut“, noch ohne durchschlagenden Erfolg. „Die Kleine ist zwar begabt, aber absolut unfotogen“, lautet das Branchenurteil, wie Leuwerik später erzählt. Trotzdem setzt sie sich durch und wird zusammen mit Dieter Borsche zu einem der Traumpaare der Fünfziger. Die schillernde Hildegard Knef, die unschuldige Maria Schell, die muntere Sonja Ziemann, die edle Ruth Leuwerik sind die Diven dieser zur Schablonisierung neigenden Zeit.

Ausbrüche aus dem Muster des Kumpels und der Königin werden einem Leinwandliebling wie Leuwerik nur ungern gestattet. So läuft Helmut Käutners am Stil der Nouvelle Vague orientiertes Drama „Die Rote“ nach Alfred Andersch zwar 1962 im Wettbewerb der Berlinale, fällt aber bei Kritik und Publikum durch. Die wilden Autorenfilmer der Sechziger und Siebziger können mit Opas Heldinnen nichts anfangen. Die dreimal verheiratete Ruth Leuwerik zieht sich in ihr diskretes Privatleben zurück, dreht gelegentlich Fernsehfilme, erhält 1978 das Filmband in Gold fürs Lebenswerk. Dieser Rückzug sei ihr nicht schwer gefallen, sagt sie 2004. Die Schauspielerei war zwar ihr Lebenstraum. „Doch wie es mit den Leidenschaften geht: Sie kühlen mit der Zeit etwas ab.“ So spricht die Vernünftige unter den Königinnen.

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