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Jiří Menzel im Jahr 2007 auf der Berlinale.

© dpa

Nachruf auf Jiří Menzel: Kreativität braucht Konflikte

Er rebellierte gegen den Kommunismus, bekam Berufsverbot und triumphierte bei der Berlinale. Nun ist Filmregisseur Jiri Menzel mit 82 Jahren gestorben.

Alle Hoffnung war vergebens, die alten Ideale sind nichts mehr wert. In seiner Tragikomödie „Lerchen am Faden“ hat Jiří Menzel einen Schrottplatz zum Schauplatz einer Farce gemacht. Die Antwort auf die Frage, was von den Versprechungen des Sozialismus übrig geblieben ist, fällt niederschmetternd aus: nichts.

Bonmots und Geistesblitze

Der Film, entstanden nach einer Satire des Schriftstellers Bohumil Hrabal, zeigt, was Menschen droht, die in einem totalitären System von der Parteilinie abweichen. Sie fallen aus der Gesellschaft, gehören buchstäblich zum alten Eisen. Die Protagonisten haben als Literaturprofessor, Museumskurator oder Jazzsaxofonist gearbeitet. Bis sie aussortiert wurden, weil man sie als „bourgeois“ entlarvte. Nun klettern sie über Altmetallhalden, führen endlose Dialoge über Kant und Schopenhauer, schlagen sinnlos die Zeit tot. Auch wenn sie gescheitert sein mögen, reicht ihre Restenergie noch für Bonmots und Geistesblitze. Der Fatalismus, mit dem sie sich tagtäglich in den Trott stürzen, erinnert an die Heldentaten des Sisyphos. Im Hintergrund flattern Banner mit kommunistischen Parolen, manchmal marschieren Jungpioniere in adretten Uniformen vorbei und singen frohgemute Hymnen.

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Jiří Menzel hatte mit der Arbeit an seiner Parabel begonnen, als die Tschechoslowakei untere Alexander Dubček den Versuch eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz wagte. Dann rollten sowjetische Panzer und waltzten den Prager Frühling nieder. Als der Film 1969 fertig war, wurde er sofort verboten. Menzel bekam Berufsverbot, auch Hrabal durfte eine Zeit lang nicht mehr publizieren. Wie andere „Regalfilme“, die weggesperrt worden waren, konnte auch „Lerchen am Faden“ erst gezeigt werden, als der Kommunismus untergegangen war. Bei der ersten Nachwende-Berlinale 1990 wurde er mit einem Goldenen Bären ausgezeichnet.

Freiheit ausloten

Menzel, 1938 in Prag geboren, hatte seine Karriere bei der Wochenschau begonnen. Zusammen mit Miloš Forman, Věra Chytilová  und Ivan Passer gehörte er in den sechziger Jahren zur Neuen Welle des tschechoslowakischen Films. Es ging darum, den Zensoren ein Schnippchen zu schlagen, auszuloten, wie viel Freiheit im Sozialismus möglich ist. In Menzels Komödie „Liebe nach Fahrplan“, die unter Eisenbahnern während der deutschen Besatzung spielt, ist der Aufbruchsgeist zu spüren. Der Film, zu dem Hrabal das Drehbuch geschrieben hatte, bekam 1968 den Oscar als bester ausländischer Film.

Theater nach dem Rauswurf

„Unter Zensur sind großartige Filme gedreht worden“, sagte Menzel später in einem Interview. „Freiheit hat einen unglücklichen Nebeneffekt: Wenn alles möglich ist, fehlt schnell der Sinn und die Richtung. Kreativität braucht Grenzen, Schöpfung entsteht aus Konflikten.“ Anders als Forman, der in die USA emigrierte und in Hollywood berühmt wurde, blieb Menzel in Prag. Nach seinem Rauswurf beim Film schlug er sich am Theater durch. Als er wieder drehen durfte, gelang ihm mit der Burleske „Heimat, süße Heimat“ über zwei ungleiche Lastwagenfahrer ein großer Publikumserfolg. Sie verschaffte ihm 1985 eine zweite Oscar-Nominierung.

Fan von Laurel und Hardy

Jiří Menzels Filme handeln meistens von den sogenannten kleinen Leuten, fast immer sind es Komödien. Laurel und Hardy hat er geliebt, Übermut und Melancholie waren in seinem Kosmos nie weit voneinander entfernt. Um die Verfilmung von Hrabals Roman „Ich habe den englischen König bedient“ musste Menzel lange kämpfen. Als die Finanzierung stand und die Schelmengeschichte 2007 bei der Berlinale Premiere hatte, wurde er noch einmal gefeiert. Am Samstag ist Jibí Menzel in Prag gestorben. Er wurde 82 Jahre alt.

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