zum Hauptinhalt
Benoîte Groult

© AFP/Catherine Gugelmann

Nachruf Benoîte Groult: Die Passionierte

Mit dem Roman "Salz auf unserer Haut" wurde sie weltberühmt. Jetzt ist Benoîte Groult im Alter von 96 Jahren gestorben.

Von Gregor Dotzauer

Sie war eine erklärte Feministin und verteidigte ihr Bild von weiblicher Unabhängigkeit gegen die Superfrauen, die ihr aus den Lifestylemagazinen entgegenschauten. Benoîte Groult, 1920 in Paris als Tochter einer Modedesignerin und eines Innenarchitekten geboren, konnte auf ein Jahrhundert kämpferischer Emanzipation zurückschauen, dessen Errungenschaften sie um jeden Preis verteidigen wollte. „Meine Befreiung“ (2008) heißt die Autobiografie, in der sie über ihre Familie, ihre Lieben und Ehen freimütig Auskunft gibt – und auch verrät, dass ihr weltberühmter Roman „Salz auf unserer Haut“ (1988) auf eigenen Erlebnissen beruht. Ihre Passion für einen jüdisch-amerikanischen Piloten transponierte sie hier nur in eine amour fou zwischen einer Pariser Intellektuellen und einem bretonischen Bauernsohn und Hochseefischer.

Was damals als Frauenpornografie verächtlich gemacht wurde, war letztlich wohl eher Kitsch und nahm ein weibliches Publikum für sich ein, das im stillen Winkel der eigenen Gefangenschaft von ähnlich verzehrenden Leidenschaften träumte. Im Einsatz persönlicher Energien war Groult indes verschwenderisch, was ihren Büchern auch bei mangelnder literarischer Überzeugungskraft Stärke verlieh. Aus der Vielzahl ihrer fast ausnahmslos auch auf Deutsch erschienenen Bücher ragt die 1975 veröffentlichte Streitschrift „Ödipus’ Schwester – Zorniges zur Macht der Männer über Frauen“ heraus.

Auch über die Zumutungen des Alters hat sie ausführlich geschrieben. „Wer darüber schon mit 60 lamentiert“, erklärte sie einmal im Gespräch mit dem Tagesspiegel, „hat keine Ahnung, wie es sich tatsächlich anfühlt. Mit 60 bin ich Ski gefahren und Angeln gegangen. Das war die Jugend meines Alters, und ich nahm an, unsterblich zu sein.“ Der 20 Jahre währende Prozess des Erwachsenwerdens finde am Ende des Lebens in umgekehrter Richtung statt: „Einen ausgereiften Menschen wieder in einen greisenhaften Zustand zu verwandeln, dafür benötigt die Natur dieselbe Zeit.“ Im Alter von 96 Jahren ist Benoîte Groult nun im südfranzösischen Hyères bei Toulon friedlich eingeschlafen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false